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Verkürzung der Schutzdauer von Kunstwerken auf max 20 Jahre


Ich bin für kürzere Schutzrechte, aus folgenden Gründen:

  1. Künstler produzieren Kunst, egal ob es ein Urheberrecht gibt oder nicht. Sie müssen tätig werden, das Kunstwerk will heraus und muss geschaffen werden. Kunst wird nicht besser oder schlechter, wenn man sie finanziell entschädigt; Geld verbessert nur die Lebensumstände des Künstlers. Wenn er es bekommt und nicht 95% davon bei den Zwischenhändlern hängen bleibt (z.B. Bücher, wo der Autor 3-5% des Buchpreises bekommt).

  2. Von einigen, wenigen Ausnahmen abgesehen, sind die Künstler gar nicht scharf auf Geld (und die ganzen Probleme, die es mit sich bringt). Zudem zeigt die Praxis, dass von allen Künstlern nur eine Handvoll von ihrer Arbeit direkt leben können. Die meisten Schriftsteller haben einen Beruf und schreiben nebenbei. Nur ganz wenige werden davon reich. Daher ist die aktuelle Gesetzeslage für Künstler eher von Nachteil und eine Verschärfung bietet keine erkennbare Verbesserung der Situation.

  3. Ein restriktives Copyright führt zu weniger Büchern und zu schlechterer Bezahlung der Autoren (siehe etwa Wem nutzt das Urheberrecht?). Auch die Geschichte des Copyright zeigt deutlich, dass es nie um die Rechte und den Schutz der Künstler ging (auch wenn das immer behauptet wurde). Beispiel: History of Copyright (English)

  4. Wenn man die Schutzzeiten verkürzt, dann zwingt man die Verlage und andere Symbionten/Parasiten des Systems für mehr Kunst zu sorgen. Wenn man die Zeiten verlängert, dann setzen sie sich auf die Kunst drauf, ziehen Zäune und lassen Soldaten patrouillieren, um ihr "Eigentum" zu verteidigen. Das ist für niemand ein Vorteil, auch wenn anders argumentiert wird: Die Konsumenten ärgern sich über den mühsamen Zugang, die Besitzer ärgern sich über jede vermeintliche Verletzung ihrer Rechte.

  5. Bibliotheken und die Allgemeinheit leiden unter langen Schutzzeiten (wie im Artikel oben beschrieben).

  6. Man kann niemanden zwingen Geld für Kunst auszugeben. Dennoch gewinnt man heute oft den Eindruck, die Rechteinhaber empfänden es als ihre Pflicht, die Konsumenten zum Konsum zu zwingen. Beispiele: Vor iTunes war es unmöglich einzelne Musikstücke zu kaufen. Selbst mit iTunes kann man manche Musik (z.B. "Twist in My Sobriety" von Tanita Tikaram) nur zusammen mit anderen Musikstücken als Album kaufen. Im Kino läuft heute vor jedem Film "Du bist ein Verbrecher".

  7. Längere Schutzrechte schützen nicht vor Ausbeutung. Bei einer kurzen Schutzzeit kann ein Künstler seine entführten Werke noch zu Lebzeiten anderweitig verwerten. Bei einer langen Schutzzeit kann ein Konzern mit seinen Anwälten einen Künstler am ausgestreckten Arm verhungern lassen.

Selbst wenn es eine Zusammenarbeit gibt, dann muss ein Künstler für die Verwertung einen Konzern beauftragen, d.h. er muss einen 10-seitigen Vertrag unterschreiben. In dem er alle Rechte für jede Art von Verwertung an den Konzern abtreten muss. Dieser ist von den Anwälten des Konzern sorgfältig über Jahrzehnte entwickelt worden, während kaum ein Künstler sich die Mühe machen will, ihn Wort für Wort zu verstehen. Oder das Geld hat, einen eigenen Anwalt mit der Prüfung zu beauftragen. Was nichts nützen würde: Der Konzern stellt sich einfach auf den Standpunkt, dass alle den gleichen Vertrag bekommen. Welche Wahl hat der Künstler dann? Ein anderer Konzern? Das gleiche in Grün.

Beispiel: Ich bin Schriftsteller. Ich persönlich möchte meine Zeit damit verbringen meine Geschichten zu schreiben und nicht elende Vertragsverhandlungen mit einem Verlag führen. Einem Verlag, dessen Sorgen sich im Moment nicht um mich drehen, sondern wie man die Leser am besten ausquetschen kann.

Es ist ja nicht so, dass die Industrie das Internet verschlafen hätte. Man ist aber gelähmt vor Angst. Ein Bedarf ist da: Die Leute digitalisieren ihre Bücher selbst (was sehr zeitaufwendig ist und in keinem Fall wirtschaftlich). Dennoch haben die Verlage mehr Angst vor dem Verlust der Kontrolle über ihr "Eigentum" als den Chancen einen Markt auszuloten, wo es keine vergriffenen Bücher mehr geben kann.

Das wird Positiv dargestellt. Gleichzeitig erleben wir, dass niemand in Staaten mit zu viel Kontrolle (z.B. Diktaturen) leben will.

Zusammenfassung: Aus meiner persönlichen Sicht sind diese ganzen Gesetze und Vorschriften nur dazu da, um die bestehenden, altertümlichen Strukturen zu zementieren, die Künstler weiter ungestraft ausbeuten zu können, und der Allgemeinheit möglichst viel Geld abzupressen: Als Buch, Film, Hörbuch, dann nochmal für ein Bibliotheksexemplar und pro Seite, wenn ein Lehrer Auszüge für den Unterricht kopiert. Am besten mehrmals für das gleiche Werk. Und wenn es geht pro Wort. Wenn man könnte, würde man die Kinobesucher den Film sofort vergessen lassen, wenn der Abspann vorbei ist.

Um die eigene Gier zu vertuschen wird dann von "Wir tun alles nur für den armen Künstler" geredet - nur könnte der Künstler jetzt schon reich sein, wenn man ihm mehr als 4% vom Kaufpreis überlassen würde. Oder wenn die GEMA keine Gebühren für die Aufführung der eigenen(!) Stücke verlangen würde, die höher als die anteilige Ausschüttung ist (Übersetzung: Je öfter man seine eigenen Werke aufführt, desto ärmer wird man).

Leider reden wir hier von einer Industrie, die jedes Jahr Milliarden umsetzt. Da frage ich mich doch, wie es sein kann, dass da irgendeine beteiligte Person arm bleibt? Bei so viel Geld muss doch etwas hängen bleiben - aber halt nicht bei den Künstlern.

So viel Geld übt natürlich einen starken Druck aus, nichts zu ändern oder wenigstens die Profite von einigen wenigen weiter zu steigern.

Mein Vorschlag für eine neue Regelung:

  1. Bei allen Werken muss der/die ursprüngliche Urheber genannt werden
  2. Ein Recht auf die kommerzielle Auswertung von Kunstwerken besteht über einen Zeitraum von 20 Jahren. Danach wird jedes Kunstwerk Allgemeingut und kann von jedermann frei verwendet werden.
  3. Bei Tod fallen die Rechte an die Allgemeinheit.

20 Jahre (= 1 Generation) sind viel Zeit, um noch mehr Kunstwerke zu erschaffen, von denen man dann leben kann - weil die Verwerter sich um jeden Künstler reissen werden.

Warum sollten Ur-Ur-Ur-Ur-Ur-Enkel wirtschaftlich an einem Werk beteiligt werden? Was haben diese geleistet, ausser geboren zu werden? Wäre das nicht wie eine Erbmonarchie? Und sie erben ja das Geld, was der Künstler verdient hat. Wenn er also zu Lebzeiten ordentlich verdienen könnte, dann ist die Regelung unnötig.

Das Gegenargument "Wir können nicht, weil die anderen es nicht tun" kann ich nicht gelten lassen. Wie man in der Vergangenheit gesehen hat, profitieren alle von einem liberaleren Copyright (= einige wenige nicht mehr so stark wie jetzt). Daher wäre es wirtschaftlich möglich und sinnvoll, dieses System erst einmal nur in Deutschland anzuführen. Wenn es wirklich so viel besser ist, wird es sich durchsetzen. Kein Gesetz der Welt kann die Evolution (lange) aufhalten.

Jetzt gibt es noch das Problem mit dem EU Recht. Aber auch EU Recht ist nicht gottgegeben. Daher wäre mein Wunsch an die Bundesregierung diese Regelung EU-weit durchzusetzen.


Diskussionen

  • jan ist dafür
    +2

    Eine Begrenzung auf 10 Jahre wäre mir sogar noch lieber.

  • Mat11001 ist dafür
    +1

    Wie ich im Forum bereits geschrieben habe, bin ich ebenfalls aus kulturellen und sozialen Gründen fpr eine Verkürzung der Schutzdauer bzw. des Copyrights.

    http://forum.bundestag.de/showthread.php?155-Ein-kulturell-sozialer-Ausgleich-Urheberrecht-auf-5-Jahre-verk%FCrzen

    20 Jahre fände ich auch noch akzeptabel, aber die aktuellen Schutzfristen sind definitiv zu lang.

  • Vergleiche auch folgende Beiträge:

  • bandleader1 ist dagegen
    0

    Zitat von digulla: "Von einigen, wenigen Ausnahmen abgesehen, sind die Künstler gar nicht scharf auf Geld (und die ganzen Probleme, die es mit sich bringt). Zudem zeigt die Praxis, dass von allen Künstlern nur eine Handvoll von ihrer Arbeit direkt leben können"

    Das kann nun wirklich nur einer schreiben, der die Realität der Musiklandschaft nicht kennt. Vielleicht liegt dies daran, dass der Autor Schriftsteller ist. Realität ist doch, daß tausende und abertausende Musiker(-innen) und Autoren(-innen) sehr wohl hauptberuflich künstlerisch tätig sind und auf den gerechten Lohn für ihre Leistung dringend angewiesen sind. Viele von ihnen müssen eine Familie ernähren oder zuverdienen. Mit einer derart frühen Verjährung ihrer Urheber- und Leistungsschutzrechte aber, haben sie für die 2. Hälfte ihres Lebens keine Einnahmen mehr aus früheren, womöglich erfolgreicheren Jahren. Denn so groß der Einsatz für ihre Kunst auch sein mag und soviel harte Arbeit sie auch hinter sich oder vor sich haben, das Verfallsdatum einer Karriere ist normalerweise früh und die geleisteten Einzahlungen in das Rentensystem eher niedrig. Nicht nur in der Pop- und Rockmusik, aber besonders da wird es in der Regel schon über 40 mit den Einnahmen deutlich dünner. Dort aber haben wir sicher die zahlenmäßig größte Gruppe von Musik-Profis. Dazu kommt wie bei den meisten Kreativschaffenden ein generell stark schwankendes Einkommen. Der selbstständig Kreative hat eben Verträge, wenn überhaupt, nur für kurze Zeit. Wenn er mal ein gutes Jahr hat, zahlt er wie ein Dauergroßverdiener den Steuerhöchstsatz, auch wenn er 20 Jahre gebraucht hat damit ihm dieses eine oder diese fünf oder sechs fetten Jahre gelingen.

    Weiteres Zitat von digulla: “Künstler produzieren Kunst, egal ob es ein Urheberrecht gibt oder nicht. Sie müssen tätig werden, das Kunstwerk will heraus und muss geschaffen werden”

    Das heißt nichts anderes als: Die Leidensfähigkeit der Künstler und Überzeugungstäter schamlos auszunutzen um ihre kreativen Rechte zu beschneiden und um möglichst früh in den kostenlosen Genuss ihrer Werke zu kommen. Das ist ein Gedanke der befremdet. Möchte der Autor auch Konzert- Radio- und TV Gagen irgendwann halbieren oder abschaffen? Vielleicht erschafft ein Künstler ja auch noch seine Werke, wenn er von Hartz 4 lebt oder in einem Obdachlosenheim?

    Die Verkürzung der Schutzdauer von Kunstwerken ist aber nicht nur sehr unfair, eine entsprechende Gesetzgebung würde auch das “kreative Bruttosozialprodukt” unseres Landes nachhaltig senken. Es mag zwar sein, daß ein wirklich überzeugter Künstler auch umsonst oder für Almosen arbeitet, und auch verheerende Rahmenbedingungen ihn letztendlich nicht abhalten seiner Berufung nachzugehen, seine kommerzielle Produktivität aber wird stark eingeschränkt, wenn er neue Ideen irgendwann finanziell nicht mehr umsetzen kann.

    Zitat von digulla: “Wenn man die Schutzzeiten verkürzt, dann zwingt man die Verlage und andere Symbionten/Parasiten des Systems für mehr Kunst zu sorgen. “

    Achtung, erneut gefährliches Halbwissen! Musikverlage und zahlreiche Plattenfirmen, die eine Konzerneinheit mit Musikverlagen bilden (die größten Record Companies haben auch die größten Verlage) hätten bei einer Verkürzung der Schutzdauer dramatische Einnahmeverluste bei den Back-Katalog Titeln. Nachwuchsförderung und Risikobereitschaft würden dabei noch stärker leiden, als sowieso schon. Vergessen wir nicht, daß die Musikbranche seit weit über 10 Jahren eine harte Reszession erlebt. Das alte Klischee der habgierigen Großverwerter ist Schnee von Gestern. Es geht EMI und Co. heute viel eher ums nackte wirtschaftliche Überleben. Die Backkataloge sind eines der letzten halbwegs verlässlichen und damit unentbehrlichen Mittel um neue Inhalte zu produzieren.

    Zitat von digulla: * “Selbst wenn es eine Zusammenarbeit gibt, dann muss ein Künstler für die Verwertung einen Konzern beauftragen, d.h. er muss einen 10-seitigen Vertrag unterschreiben. In dem er alle Rechte für jede Art von Verwertung an den Konzern abtreten muss.”*

    Das ist schlichtweg Unsinn. Ein Komponist zB gibt in aller Regel seine Gema Anteile nicht ab, denn sein Urheberrecht ist per Gesetz geschützt. Dazu kommen ein ganze Armee von Recording Artists, die längst ihr eigenes Label betreiben, damit sie unabhängiger von einer geradezu ängstlichen Plattenindustrie sind, die kaum noch Investitonen tätigen kann und permanent Mitarbeiter entlässt.

    Zitat von digulla: "Warum sollten Ur-Ur-Ur-Ur-Ur-Enkel wirtschaftlich an einem Werk beteiligt werden?"

    Für derlei demagogische Übertreibungen habe ich wirklich kein Verständnis. Ich meine, Sachlichkeit sollte in diesem Forum oberstes Gebot sein. Der Autor möge mal nachrechnen wie lange es dauert bis es “Ur-Ur-Ur-Ur-Ur-Enkel” überhaupt gibt. Sicher nicht nach der derzeitigen Schutzzeit von 70 Jahren. Bei der geltenden Gesetzeslage profitieren nur die folgenden zwei Generationen und das sollte selbstverständlich sein. Ich kenne viele Musiker-Kollegen deren Kinder in den prägendsten Jahren nicht viel von ihrem Daddy hatten, weil der ständig auf Tour war um seine Werke bekannt zu machen. Wer will den Wert oder die Konsequenzen dieser Umstände bemessen? Mehr Achtung vor der Arbeit seiner Künstler würde diesem Land gut stehen.

    • "Mit einer derart frühen Verjährung ihrer Urheber- und Leistungsschutzrechte aber, haben sie für die 2. Hälfte ihres Lebens keine Einnahmen mehr aus früheren, womöglich erfolgreicheren Jahren" --- merkwürdig, ich bin jetzt in der zweiten Lebenshälfte und niemand kommt und gibt mir Geld dafür, dass ich in der Jugend erfolgreicher war... Was ist das bitte für ein völlig überzogenener, egoistischer Anspruch? Welche anderen Berufsgruppen als die selbsternannten Künstler jeglicher Art können sich Einnahmen einfordern, nur weil es ihnen heute schlechter geht als irgendwann einmal früher? Alle Normalbürger müssen jeden Tag von Neuem für ihr Einkommen arbeiten und bekommen keinen zusätzlichen Cent dafür dass sie es früher auch schon einmal getan haben - von wem auch? Und meinen Kinder und Enkel bekommen auch nichts mehr für meine gestern geleistete Arbeit, da kommt keine Verwertungsgeselschaft und sammelt irgendwo Geld ein für sie...

    • bandleader1: danke für eine mal treffende beschreibung der wirklichkeit! wie selbstverständlich hier auf basis von binsenweisheiten argumentiert wird ist, ist haarsträubend.

  • vertical ist dagegen
    -1

    NEIN! Was dabei herauskommt, wenn Künstler weniger Geld verdienen bzw. die Musikindustrie gezwungen wird, 2/3 ihrer Stellen zu streichen, kann man an den Charts sehen: Nur noch Einheitsbrei, keiner geht mehr ein Risiko ein. Die Musilandschaft verarmt im doppelten Wortsinn.

  • 20 Jahre sind immer noch zu viel. Nicht mit weniger in die Verhandlungen einsteigen als wir haben wollen. Siehe auch meinen Kommentar zu dem früheren Beitrag.

  • Nicht radikal genug

    • doppelpost, entfernt -

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