Originalversion
1 | Fragen der Schutzdauer |
2 | |
3 | Bestandsaufnahme: |
4 | Mit der Urheberrechtsreform von 1964 wurden die |
5 | Schutzfristen auf 70 Jahre nach dem Tode der Urheber |
6 | ausgedehnt. |
7 | |
8 | Hintergrund der Festlegung der Regelschutzdauer des § 64 |
9 | UrhG auf 70 Jahre post mortem auctoris ist, dass man davon |
10 | ausgeht, dass bis zu diesem Zeitpunkt noch nahe Angehörige |
11 | des Urhebers am Leben sind, welche die Rechte an vorhandenen |
12 | Werken wahrnehmen [Fußnote: Wandtke/Bullinger, |
13 | Praxiskommentar zum Urheberrecht, 3. Auflage 2009, § 64 Rn. |
14 | 1.]. |
15 | |
16 | Allerdings sind die Fristen der Urheberrechte und verwandten |
17 | Schutzrechte mittlerweile EU-weit geregelt, was den |
18 | Handlungsspielraum des deutschen Gesetzgebers in Bezug auf |
19 | Schutzfristverlängerungen oder –verkürzungen beträchtlich |
20 | einengt [Fußnote: |
21 | http://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=CELEX: |
22 | 32006L0116:DE:NOT]. |
23 | |
24 | So ist zu beachten, dass die gegenwärtigen Regelungen zur |
25 | Schutzdauer im Urhebergesetz auf der Richtlinie 93/98/EWG |
26 | des Rates der EU vom 29. Oktober 1993 zur Harmonisierung der |
27 | Schutzdauer des Urheberrechts und bestimmter verwandter |
28 | Schutzrechte („Schutzdauer-Richtlinie“) basieren, deren |
29 | Vorgaben bindend sind. |
30 | |
31 | Die EU-Kommission und der Rechtsausschuss des EU-Parlaments |
32 | haben sich mit einem Richtlinienvorschlag für eine |
33 | Vollharmonisierung der Schutzfristen für |
34 | Leistungsschutzrechte auf 95 Jahre eingesetzt (Vorschlag |
35 | abrufbar unter |
36 | http://eurlex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=COM:200 |
37 | 8:0464:FIN:DE:PDF). |
38 | Schutzfristen begründen Verwertungsmonopole auf Zeit. Sie |
39 | sind hinsichtlich ihrer Dauer wichtige Instrumente zur |
40 | Herbeiführung eines Interessenausgleichs zwischen Interessen |
41 | von Urhebern, Verwertern, Nutzern und Allgemeinheit. |
42 | |
43 | Dies führt dazu, dass zwei, drei Generationen nach Ableben |
44 | des Urhebers oder der Urheberin das Werk der Allgemeinheit |
45 | immer noch nicht zugänglich gemacht werden kann, es sei |
46 | denn, die Rechteinhaber erteilen ihre Zustimmung. |
47 | |
48 | „Beim hochpersönlichen Urheberrecht lockere sich nach dem |
49 | Tod des Urhebers mit Ablauf der Zeit immer mehr der |
50 | legitimierende Zusammenhang des Rechts mit dem |
51 | ursprünglichen Schöpfer des Werks und zwar auch hinsichtlich |
52 | der Verwertungsrechte, die sich nicht im Sinne einer |
53 | völligen Verselbständigung aus der Urheberbeziehung |
54 | herauslösen ließen. […] Je mehr Generationen |
55 | schutzberechtigt würden, umso mehr würden die Beziehungen |
56 | zum Urheber verblassen, umso größer werde die Zahl der |
57 | Berechtigten und desto mehr verliere die Fortdauer des |
58 | Schutzes ihre innere Berechtigung.“ [Fußnote: Fechner, |
59 | Frank: Geistiges Eigentum und Verfassung. Schöpferische |
60 | Leistungen unter dem Schutz des Grundgesetzes. Tübingen: |
61 | Mohr Siebeck 1999, S. 399. ]. Demgegenüber hebt die |
62 | Begründung der Anhänger der Immaterialgüterlehre auf die |
63 | Interessen der Allgemeinheit ab: „Das Interesse der |
64 | Allgemeinheit an einer Nutzung des geschaffenen Geistesgutes |
65 | überwiegt dieser Ansicht nach zumindest nach Ablauf einer |
66 | gewissen Zeit gegenüber den Interessen des Rechtsinhabers |
67 | bzw. seiner Erben an einer wirtschaftlichen Nutzung seines |
68 | geistigen Eigentums.[…]“ [Fußnote: Fechner, Frank: Geistiges |
69 | Eigentum und Verfassung. Schöpferische Leistungen unter dem |
70 | Schutz des Grundgesetzes. Tübingen: Mohr Siebeck 1999, S. |
71 | 401.]. |
72 | |
73 | Diese Situation ist insbesondere für Archive und |
74 | Bibliotheken prekär, die sich mit ihrer Arbeit in |
75 | zunehmenden Grauzonen wiederfinden, wenn sie Werke |
76 | digitalisieren und der Allgemeinheit zugänglich machen |
77 | wollen. |
78 | |
79 | Archive und Bibliotheken stehen bei der Digitalisierung |
80 | ihres Archivmaterials vor einer großen Herausforderung: Für |
81 | eine öffentliche Zugänglichmachung ihres digitalisierten |
82 | Materials brauchen sie die Zustimmung des Urhebers und |
83 | müssen dazu aufgrund der teils lange zurückreichenden |
84 | Schutzfristen oft in detektivischer Arbeit den |
85 | Rechtsnachfolger ermitteln. Wären die Schutzfristen kürzer, |
86 | könnte also mehr Material gemeinfrei zur Verfügung gestellt |
87 | werden. Bis dahin können Archive und Bibliotheken ihre |
88 | Exponate zwar gem. § 53 II Nr. 2 UrhG digitalisieren, aber |
89 | ohne die Zustimmung der Urheber oder eine Regelung zu den |
90 | verwaisten Werken eben nicht ausstellen [Fußnote: Für eine |
91 | ausführliche Darstellung dieser Thematik siehe „Digitale |
92 | Sicherung und Nutzbarkeit von Kulturgütern – Umgang mit |
93 | verwaisten Werken“]. |
94 | |
95 | Das geltende Urheberrechtssystem ist außerdem geprägt von |
96 | dem Umstand, dass es zwei Schutzinstrumente gibt, die |
97 | jeweils für sich durch relativ lange Schutzfristen |
98 | gekennzeichnet sind und kumulativ Anwendung finden können. |
99 | |
100 | Die Schutzdauer für Urheber- und Leistungsschutzrechte ist |
101 | unterschiedlich lang und auch differenziert ausgestaltet. So |
102 | knüpft die Schutzdauer für das Urheberrecht an den Tod des |
103 | Autors an und geht darüber hinaus. Die Schutzdauer der |
104 | Leistungsschutzrechte beginnt demgegenüber ab der |
105 | Erstaufführung oder dem erstmaligen Erscheinen. Unter |
106 | Umständen können so auch noch viele Jahre nach dem Tod des |
107 | Autors neue Leistungsschutzrechte begründet werden, die dann |
108 | deutlich über die urheberrechtliche Schutzfrist hinaus |
109 | gelten. Leistungsschutzrechte können dementsprechend |
110 | zusätzliche Einnahmequellen erschließen, andererseits können |
111 | sie aber auch die Gemeinfreiheit von Werken zeitlich |
112 | hinausschieben. Neben einer Vereinheitlichung der |
113 | Schutzdauer werden daher auch grundsätzlichere Anpassungen |
114 | diskutiert. So gibt es beispielsweise unterschiedlich |
115 | motivierte Überlegungen, Leistungsschutzrechte auszuweiten |
116 | und die Schutzfristen zu verlängern. Die Auswirkungen dieser |
117 | Überlegungen werden unterschiedlich beurteilt. |
118 | |
119 | Auf der einen Seite werden durch kürzere Schutzfristen ein |
120 | regerer Wettbewerb zwischen Werkvermittlern und ein |
121 | breiteres Angebot von Kulturgütern erwartet. [Fußnote: |
122 | Eckhard Höffner, Geschichte und Wesen des Urheberrechts, |
123 | 2010]. Auf der anderen Seite könnten verkürzte Schutzfristen |
124 | das unternehmerische Risiko vergrößern. Dies könnte auch zu |
125 | einem Verlust an Vielfalt und Qualität von Kulturgütern |
126 | führen. |
127 | |
128 | Verwerter können sich dann nämlich eben nicht auf einen |
129 | ihnen zugesicherten Zeitraum zurückziehen, sondern stehen in |
130 | direkter Konkurrenz zu anderen Verwertern. Wettbewerb stellt |
131 | einen erhöhten Anreiz zu stetiger Optimierung der |
132 | Verwerterleistungen, zu schnellerer und umfassenderer |
133 | Nachfragebefriedigung und zu größerem Service gegenüber |
134 | Urhebern und Kunden dar. Auch die Funktionsfähigkeit des |
135 | Marktes kann damit durch kürzer zu bemessende Fristen |
136 | gestärkt werden. |
137 | |
138 | Alternativer Textvorschlag von DIE LINKE. ab hier |
139 | Dass der Urheberrechtsschutz an Immaterialgütern stets |
140 | zeitlich befristet ist, begründet sich aus wichtigen |
141 | Unterschieden zum Sacheigentum. Einerseits spielt hier die |
142 | persönlichkeitsrechtliche Komponente des Rechts eine Rolle: |
143 | Nach dem Tod des Urhebers lockert sich mit der Zeit der |
144 | legitimierende Zusammenhang des Rechts mit dem |
145 | ursprünglichen Schöpfer des Werks. Je mehr Generationen |
146 | schutzberechtigt würden, umso mehr würde die Fortdauer des |
147 | Schutzes ihre innere Berechtigung verlieren. Doch auch aus |
148 | der Interessenabwägung zwischen Eigentumsinteressen und |
149 | solchen des Allgemeinwohls gelangt man zu diesem Schluss. |
150 | Nach Ablauf einer gewissen Zeit überwiegt das Interesse der |
151 | Allgemeineheit an einer freien Nutzung des geschaffenen |
152 | Geistesguts gegenüber den Interesssen des Rechteinhabers. |
153 | |
154 | Das geltende Recht trägt solchen Überlegungen Rechnung. |
155 | Allerdings basiert es auf Gegebenheiten der analogen Welt. |
156 | Dass mit dem Internet eine leichtere Vervielfältigung und |
157 | Verbreitung urheberrechtlich geschützter Werke möglich |
158 | geworden ist, die sich faktisch nicht mehr effektiv |
159 | kontrollieren lässt, lässt die geltenden Schutzfristen |
160 | eindeutig als zu lang erscheinen. |
161 | |
162 | Das Bundesverfassungsgericht erläutert in seiner |
163 | „Schallplatten-Entscheidung“, die Angemessenheit der |
164 | urheberrechtlichen Schutzdauer könne „zu verschiedenen |
165 | Zeiten je nach Bewertung der widerstreitenden Interessen |
166 | verschieden beurteilt werden.“ [Fußnote: Schallplatten, |
167 | BVerfGE 31, S. 275 ff., |
168 | http://archiv.jura.uni-saarland.de/urheberrecht/entscheidung |
169 | en/bverfg/1bvr766-66.html]. Die Eigentumsgarantie der |
170 | Verfassung biete weder die Gewähr einer ewigen Schutzdauer, |
171 | noch verpflichte sie den Gesetzgeber, die Geltungsdauer auf |
172 | einen bestimmten Zeitraum festzulegen. |
173 | |
174 | Ein späteres Bundesverfassungsgerichtsurteil, das |
175 | Vollzugsanstalten-Urteil, hat überdies bestätigt, dass Werke |
176 | die Tendenz haben, mit zunehmendem zeitlichen Abstand zur |
177 | Veröffentlichung an privatrechtlicher Bindung einzubüßen: |
178 | „Mit der Veröffentlichung steht das geschützte Musikwerk |
179 | nicht mehr allein seinem Schöpfer zur Verfügung. Es tritt |
180 | vielmehr bestimmungsgemäß in den gesellschaftlichen Raum und |
181 | kann damit zu einem eigenständigen, das kulturelle und |
182 | geistige Bild der Zeit mitbestimmenden Faktor werden |
183 | (BVerfGE 31, 229 [242]; 49, 382 [394]). Es löst sich mit der |
184 | Zeit von der privatrechtlichen Verfügbarkeit und wird |
185 | geistiges und kulturelles Allgemeingut (BVerfGE 58, 137 [148 |
186 | f.]). Dies ist zugleich die innere Rechtfertigung für die |
187 | zeitliche Begrenzung des Urheberschutzes durch § 64 Abs. 1 |
188 | UrhG.“ [Fußnote: Vollzugsanstalten, BVerfGE 79, S. 29 ff., |
189 | http://archiv.jura.uni-saarland.de/urheberrecht/entscheidung |
190 | en/bverfg/1bvr743-86.html]. Hieraus folgt, dass |
191 | grundsätzlich Schutzrechtsverkürzungen möglich sind, auch |
192 | wenn diese auf EU-Ebene durchgesetzt werden müssten |
193 | [Fußnote: |
194 | http://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=CELEX: |
195 | 32006L0116:DE:NOT]. |
196 | Schon die Gesetzesbegründung zur Urheberrechtsreform von |
197 | 1965 erwähnt, nur die wenigsten Werke seien nach Ablauf der |
198 | Schutzdauer noch von vermögensrechtlichem Interesse |
199 | [Fußnote: Begründung des Regierungsentwurfes. BT-Drucksache |
200 | IV/270, S. 27-117. Zit. nach: Archiv für Urheber- Film- |
201 | Funk- und Theaterrecht UFITA, Bd. 45:2 (1965), S. 240-336. |
202 | S. 295.]. Auch Thomas Dreier äußert sich in seinem |
203 | Urheberrechtskommentar skeptisch [Fußnote: Dreier, Thomas, |
204 | Schulz, Gernot: Urheberrechtsgesetz. München: C.H. Beck 3. |
205 | Aufl. 2008. Vor §§ 64 ff., Rdnr. 1.]. Till Kreutzer glaubt, |
206 | dass die Schutzdauer in der Regel weit über das hinausgeht, |
207 | was zum Anreiz kreativer Leistungen erforderlich wäre. |
208 | Vielmehr seien die langen Schutzfristen nachgerade |
209 | hinderlich, insbesondere bei technisch-funktionalen Werken, |
210 | deren „Lebensdauer“ technologiebedingt viel kürzer sei |
211 | [Fußnote: Kreutzer, Till: Den gordischen Knoten |
212 | durchschlagen – Ideen für ein neues Urheberrechtskonzept. |
213 | In: Copy. Right. Now! Plädoyers für ein zukunftstaugliches |
214 | Urheberrecht. Hrsg. Heinrich-Böll-Stiftung & iRights.info. |
215 | Berlin 2010, S. 45-55. S. 54.]. Gerd Hansen weist zudem auf |
216 | die Schnelllebigkeit einer modernen Mediengesellschaft hin: |
217 | Die allermeisten Werke würden nur für einen relativ kurzen |
218 | Zeitraum verwertet [Fußnote: Hansen, Gerd: Warum |
219 | Urheberrecht? Die Rechtfertigung des Urheberrechts unter |
220 | besonderer Berücksichtigung des Nutzerschutzes. Baden-Baden: |
221 | Nomos Verlag 2009. S. 369.]. |
222 | |
223 | Anknüpfend an einen Vorschlag von Lawrence Lessig schlägt |
224 | Hansen eine radikale Verkürzung der Schutzfrist auf |
225 | beispielsweise fünf Jahre ab Veröffentlichung vor. Danach |
226 | soll es eine kostenpflichtige Verlängerungsoption für den |
227 | Schutzrechtsinhaber geben [Fußnote: Hansen, Gerd: Warum |
228 | Urheberrecht? Die Rechtfertigung des Urheberrechts unter |
229 | besonderer Berücksichtigung des Nutzerschutzes. Baden-Baden: |
230 | Nomos Verlag 2009. S. 370 ff.]. Kreutzer hingegen plädiert |
231 | für eine variable Regelung, die an die Konzeption der |
232 | Urhebernachfolgevergütung anknüpft [Fußnote: Kreutzer, Till: |
233 | Das Modell des deutschen Urheberrechts und |
234 | Regelungsalternativen. München: Nomos Verlag 2008. S. 481 |
235 | ff.]. Schutzrechte sollen demnach nur eine Zeit lang als |
236 | ausschließliche gewährt und hernach als |
237 | Beteiligungsansprüche ausgestaltet werden (möglicherweise |
238 | nur für gewerbliche Nutzungen), bevor die Nutzung ganz |
239 | urheberrechtsfrei wird [Fußnote: Kreutzer, Till: Das Modell |
240 | des deutschen Urheberrechts und Regelungsalternativen. |
241 | München: Nomos Verlag 2008. S. 485.]. |
242 | |
243 | Schutzfristverlängerungen, wie sie derzeit etwa im Hinblick |
244 | auf die Leistungsschutzrechte der Tonträgerunternehmen |
245 | diskutiert werden, nutzen den Medienunternehmen, die die |
246 | Inhaber dieser Rechte sind, nicht jedoch den Künstlern |
247 | selbst. |
248 | |
249 | Aus den aktuell zu langen Schutzfristen resultiert |
250 | insbesondere das Problem der verwaisten Werke, für das |
251 | bislang weder auf nationaler noch auf EU-Ebene eine Lösung |
252 | gefunden wurde. Da abzusehen ist, dass in der digitalen Welt |
253 | Werke noch viel eher verwaisen als in der analogen Welt, |
254 | wird dieses Problem sich eher noch verschärfen, wenn nicht |
255 | eine grundsätzliche Schutzfristverkürzung in Angriff |
256 | genommen wird. |
257 | |
258 | Grundsätzlich ist auch zu erwägen, über eine Änderung der |
259 | Berner Konvention zu einer Registrierungsmöglichkeit zu |
260 | gelangen, die zur Voraussetzung für einen vollumfänglichen |
261 | Urheberrechtsschutz erklärt werden könnte. Ebenso ist die |
262 | Reduktion des Ausschließlichkeitsrechts auf einen |
263 | Vergütungsanspruch im digitalen Raum eine Möglichkeit, die |
264 | durch die lange Schutzdauer für die Allgemeinheit |
265 | erwachsenen Restriktionen stärker einzugrenzen. |
Der Text verglichen mit der Originalversion
1 | Fragen der Schutzdauer |
2 | |
3 | Bestandsaufnahme: |
4 | Mit der Urheberrechtsreform von 1964 wurden die |
5 | Schutzfristen auf 70 Jahre nach dem Tode der Urheber |
6 | ausgedehnt. |
7 | |
8 | Hintergrund der Festlegung der Regelschutzdauer des § 64 |
9 | UrhG auf 70 Jahre post mortem auctoris ist, dass man davon |
10 | ausgeht, dass bis zu diesem Zeitpunkt noch nahe Angehörige |
11 | des Urhebers am Leben sind, welche die Rechte an vorhandenen |
12 | Werken wahrnehmen [Fußnote: Wandtke/Bullinger, |
13 | Praxiskommentar zum Urheberrecht, 3. Auflage 2009, § 64 Rn. |
14 | 1.]. |
15 | |
16 | Allerdings sind die Fristen der Urheberrechte und verwandten |
17 | Schutzrechte mittlerweile EU-weit geregelt, was den |
18 | Handlungsspielraum des deutschen Gesetzgebers in Bezug auf |
19 | Schutzfristverlängerungen oder –verkürzungen beträchtlich |
20 | einengt [Fußnote: |
21 | http://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=CELEX: |
22 | 32006L0116:DE:NOT]. |
23 | |
24 | So ist zu beachten, dass die gegenwärtigen Regelungen zur |
25 | Schutzdauer im Urhebergesetz auf der Richtlinie 93/98/EWG |
26 | des Rates der EU vom 29. Oktober 1993 zur Harmonisierung der |
27 | Schutzdauer des Urheberrechts und bestimmter verwandter |
28 | Schutzrechte („Schutzdauer-Richtlinie“) basieren, deren |
29 | Vorgaben bindend sind. |
30 | |
31 | Die EU-Kommission und der Rechtsausschuss des EU-Parlaments |
32 | haben sich mit einem Richtlinienvorschlag für eine |
33 | Vollharmonisierung der Schutzfristen für |
34 | Leistungsschutzrechte auf 95 Jahre eingesetzt (Vorschlag |
35 | abrufbar unter |
36 | http://eurlex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=COM:200 |
37 | 8:0464:FIN:DE:PDF). |
38 | Schutzfristen begründen Verwertungsmonopole auf Zeit. Sie |
39 | sind hinsichtlich ihrer Dauer wichtige Instrumente zur |
40 | Herbeiführung eines Interessenausgleichs zwischen Interessen |
41 | von Urhebern, Verwertern, Nutzern und Allgemeinheit. |
42 | |
43 | Dies führt dazu, dass zwei, drei Generationen nach Ableben |
44 | des Urhebers oder der Urheberin das Werk der Allgemeinheit |
45 | immer noch nicht zugänglich gemacht werden kann, es sei |
46 | denn, die Rechteinhaber erteilen ihre Zustimmung. |
47 | |
48 | „Beim hochpersönlichen Urheberrecht lockere sich nach dem |
49 | Tod des Urhebers mit Ablauf der Zeit immer mehr der |
50 | legitimierende Zusammenhang des Rechts mit dem |
51 | ursprünglichen Schöpfer des Werks und zwar auch hinsichtlich |
52 | der Verwertungsrechte, die sich nicht im Sinne einer |
53 | völligen Verselbständigung aus der Urheberbeziehung |
54 | herauslösen ließen. […] Je mehr Generationen |
55 | schutzberechtigt würden, umso mehr würden die Beziehungen |
56 | zum Urheber verblassen, umso größer werde die Zahl der |
57 | Berechtigten und desto mehr verliere die Fortdauer des |
58 | Schutzes ihre innere Berechtigung.“ [Fußnote: Fechner, |
59 | Frank: Geistiges Eigentum und Verfassung. Schöpferische |
60 | Leistungen unter dem Schutz des Grundgesetzes. Tübingen: |
61 | Mohr Siebeck 1999, S. 399. ]. Demgegenüber hebt die |
62 | Begründung der Anhänger der Immaterialgüterlehre auf die |
63 | Interessen der Allgemeinheit ab: „Das Interesse der |
64 | Allgemeinheit an einer Nutzung des geschaffenen Geistesgutes |
65 | überwiegt dieser Ansicht nach zumindest nach Ablauf einer |
66 | gewissen Zeit gegenüber den Interessen des Rechtsinhabers |
67 | bzw. seiner Erben an einer wirtschaftlichen Nutzung seines |
68 | geistigen Eigentums.[…]“ [Fußnote: Fechner, Frank: Geistiges |
69 | Eigentum und Verfassung. Schöpferische Leistungen unter dem |
70 | Schutz des Grundgesetzes. Tübingen: Mohr Siebeck 1999, S. |
71 | 401.]. |
72 | |
73 | Diese Situation ist insbesondere für Archive und |
74 | Bibliotheken prekär, die sich mit ihrer Arbeit in |
75 | zunehmenden Grauzonen wiederfinden, wenn sie Werke |
76 | digitalisieren und der Allgemeinheit zugänglich machen |
77 | wollen. |
78 | |
79 | Archive und Bibliotheken stehen bei der Digitalisierung |
80 | ihres Archivmaterials vor einer großen Herausforderung: Für |
81 | eine öffentliche Zugänglichmachung ihres digitalisierten |
82 | Materials brauchen sie die Zustimmung des Urhebers und |
83 | müssen dazu aufgrund der teils lange zurückreichenden |
84 | Schutzfristen oft in detektivischer Arbeit den |
85 | Rechtsnachfolger ermitteln. Wären die Schutzfristen kürzer, |
86 | könnte also mehr Material gemeinfrei zur Verfügung gestellt |
87 | werden. Bis dahin können Archive und Bibliotheken ihre |
88 | Exponate zwar gem. § 53 II Nr. 2 UrhG digitalisieren, aber |
89 | ohne die Zustimmung der Urheber oder eine Regelung zu den |
90 | verwaisten Werken eben nicht ausstellen [Fußnote: Für eine |
91 | ausführliche Darstellung dieser Thematik siehe „Digitale |
92 | Sicherung und Nutzbarkeit von Kulturgütern – Umgang mit |
93 | verwaisten Werken“]. |
94 | |
95 | Das geltende Urheberrechtssystem ist außerdem geprägt von |
96 | dem Umstand, dass es zwei Schutzinstrumente gibt, die |
97 | jeweils für sich durch relativ lange Schutzfristen |
98 | gekennzeichnet sind und kumulativ Anwendung finden können. |
99 | |
100 | Die Schutzdauer für Urheber- und Leistungsschutzrechte ist |
101 | unterschiedlich lang und auch differenziert ausgestaltet. So |
102 | knüpft die Schutzdauer für das Urheberrecht an den Tod des |
103 | Autors an und geht darüber hinaus. Die Schutzdauer der |
104 | Leistungsschutzrechte beginnt demgegenüber ab der |
105 | Erstaufführung oder dem erstmaligen Erscheinen. Unter |
106 | Umständen können so auch noch viele Jahre nach dem Tod des |
107 | Autors neue Leistungsschutzrechte begründet werden, die dann |
108 | deutlich über die urheberrechtliche Schutzfrist hinaus |
109 | gelten. Leistungsschutzrechte können dementsprechend |
110 | zusätzliche Einnahmequellen erschließen, andererseits können |
111 | sie aber auch die Gemeinfreiheit von Werken zeitlich |
112 | hinausschieben. Neben einer Vereinheitlichung der |
113 | Schutzdauer werden daher auch grundsätzlichere Anpassungen |
114 | diskutiert. So gibt es beispielsweise unterschiedlich |
115 | motivierte Überlegungen, Leistungsschutzrechte auszuweiten |
116 | und die Schutzfristen zu verlängern. Die Auswirkungen dieser |
117 | Überlegungen werden unterschiedlich beurteilt. |
118 | |
119 | Auf der einen Seite werden durch kürzere Schutzfristen ein |
120 | regerer Wettbewerb zwischen Werkvermittlern und ein |
121 | breiteres Angebot von Kulturgütern erwartet. [Fußnote: |
122 | Eckhard Höffner, Geschichte und Wesen des Urheberrechts, |
123 | 2010]. Auf der anderen Seite könnten verkürzte Schutzfristen |
124 | das unternehmerische Risiko vergrößern. Dies könnte auch zu |
125 | einem Verlust an Vielfalt und Qualität von Kulturgütern |
126 | führen. |
127 | |
128 | Verwerter können sich dann nämlich eben nicht auf einen |
129 | ihnen zugesicherten Zeitraum zurückziehen, sondern stehen in |
130 | direkter Konkurrenz zu anderen Verwertern. Wettbewerb stellt |
131 | einen erhöhten Anreiz zu stetiger Optimierung der |
132 | Verwerterleistungen, zu schnellerer und umfassenderer |
133 | Nachfragebefriedigung und zu größerem Service gegenüber |
134 | Urhebern und Kunden dar. Auch die Funktionsfähigkeit des |
135 | Marktes kann damit durch kürzer zu bemessende Fristen |
136 | gestärkt werden. |
137 | |
138 | Alternativer Textvorschlag von DIE LINKE. ab hier |
139 | Dass der Urheberrechtsschutz an Immaterialgütern stets |
140 | zeitlich befristet ist, begründet sich aus wichtigen |
141 | Unterschieden zum Sacheigentum. Einerseits spielt hier die |
142 | persönlichkeitsrechtliche Komponente des Rechts eine Rolle: |
143 | Nach dem Tod des Urhebers lockert sich mit der Zeit der |
144 | legitimierende Zusammenhang des Rechts mit dem |
145 | ursprünglichen Schöpfer des Werks. Je mehr Generationen |
146 | schutzberechtigt würden, umso mehr würde die Fortdauer des |
147 | Schutzes ihre innere Berechtigung verlieren. Doch auch aus |
148 | der Interessenabwägung zwischen Eigentumsinteressen und |
149 | solchen des Allgemeinwohls gelangt man zu diesem Schluss. |
150 | Nach Ablauf einer gewissen Zeit überwiegt das Interesse der |
151 | Allgemeineheit an einer freien Nutzung des geschaffenen |
152 | Geistesguts gegenüber den Interesssen des Rechteinhabers. |
153 | |
154 | Das geltende Recht trägt solchen Überlegungen Rechnung. |
155 | Allerdings basiert es auf Gegebenheiten der analogen Welt. |
156 | Dass mit dem Internet eine leichtere Vervielfältigung und |
157 | Verbreitung urheberrechtlich geschützter Werke möglich |
158 | geworden ist, die sich faktisch nicht mehr effektiv |
159 | kontrollieren lässt, lässt die geltenden Schutzfristen |
160 | eindeutig als zu lang erscheinen. |
161 | |
162 | Das Bundesverfassungsgericht erläutert in seiner |
163 | „Schallplatten-Entscheidung“, die Angemessenheit der |
164 | urheberrechtlichen Schutzdauer könne „zu verschiedenen |
165 | Zeiten je nach Bewertung der widerstreitenden Interessen |
166 | verschieden beurteilt werden.“ [Fußnote: Schallplatten, |
167 | BVerfGE 31, S. 275 ff., |
168 | http://archiv.jura.uni-saarland.de/urheberrecht/entscheidung |
169 | en/bverfg/1bvr766-66.html]. Die Eigentumsgarantie der |
170 | Verfassung biete weder die Gewähr einer ewigen Schutzdauer, |
171 | noch verpflichte sie den Gesetzgeber, die Geltungsdauer auf |
172 | einen bestimmten Zeitraum festzulegen. |
173 | |
174 | Ein späteres Bundesverfassungsgerichtsurteil, das |
175 | Vollzugsanstalten-Urteil, hat überdies bestätigt, dass Werke |
176 | die Tendenz haben, mit zunehmendem zeitlichen Abstand zur |
177 | Veröffentlichung an privatrechtlicher Bindung einzubüßen: |
178 | „Mit der Veröffentlichung steht das geschützte Musikwerk |
179 | nicht mehr allein seinem Schöpfer zur Verfügung. Es tritt |
180 | vielmehr bestimmungsgemäß in den gesellschaftlichen Raum und |
181 | kann damit zu einem eigenständigen, das kulturelle und |
182 | geistige Bild der Zeit mitbestimmenden Faktor werden |
183 | (BVerfGE 31, 229 [242]; 49, 382 [394]). Es löst sich mit der |
184 | Zeit von der privatrechtlichen Verfügbarkeit und wird |
185 | geistiges und kulturelles Allgemeingut (BVerfGE 58, 137 [148 |
186 | f.]). Dies ist zugleich die innere Rechtfertigung für die |
187 | zeitliche Begrenzung des Urheberschutzes durch § 64 Abs. 1 |
188 | UrhG.“ [Fußnote: Vollzugsanstalten, BVerfGE 79, S. 29 ff., |
189 | http://archiv.jura.uni-saarland.de/urheberrecht/entscheidung |
190 | en/bverfg/1bvr743-86.html]. Hieraus folgt, dass |
191 | grundsätzlich Schutzrechtsverkürzungen möglich sind, auch |
192 | wenn diese auf EU-Ebene durchgesetzt werden müssten |
193 | [Fußnote: |
194 | http://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=CELEX: |
195 | 32006L0116:DE:NOT]. |
196 | Schon die Gesetzesbegründung zur Urheberrechtsreform von |
197 | 1965 erwähnt, nur die wenigsten Werke seien nach Ablauf der |
198 | Schutzdauer noch von vermögensrechtlichem Interesse |
199 | [Fußnote: Begründung des Regierungsentwurfes. BT-Drucksache |
200 | IV/270, S. 27-117. Zit. nach: Archiv für Urheber- Film- |
201 | Funk- und Theaterrecht UFITA, Bd. 45:2 (1965), S. 240-336. |
202 | S. 295.]. Auch Thomas Dreier äußert sich in seinem |
203 | Urheberrechtskommentar skeptisch [Fußnote: Dreier, Thomas, |
204 | Schulz, Gernot: Urheberrechtsgesetz. München: C.H. Beck 3. |
205 | Aufl. 2008. Vor §§ 64 ff., Rdnr. 1.]. Till Kreutzer glaubt, |
206 | dass die Schutzdauer in der Regel weit über das hinausgeht, |
207 | was zum Anreiz kreativer Leistungen erforderlich wäre. |
208 | Vielmehr seien die langen Schutzfristen nachgerade |
209 | hinderlich, insbesondere bei technisch-funktionalen Werken, |
210 | deren „Lebensdauer“ technologiebedingt viel kürzer sei |
211 | [Fußnote: Kreutzer, Till: Den gordischen Knoten |
212 | durchschlagen – Ideen für ein neues Urheberrechtskonzept. |
213 | In: Copy. Right. Now! Plädoyers für ein zukunftstaugliches |
214 | Urheberrecht. Hrsg. Heinrich-Böll-Stiftung & iRights.info. |
215 | Berlin 2010, S. 45-55. S. 54.]. Gerd Hansen weist zudem auf |
216 | die Schnelllebigkeit einer modernen Mediengesellschaft hin: |
217 | Die allermeisten Werke würden nur für einen relativ kurzen |
218 | Zeitraum verwertet [Fußnote: Hansen, Gerd: Warum |
219 | Urheberrecht? Die Rechtfertigung des Urheberrechts unter |
220 | besonderer Berücksichtigung des Nutzerschutzes. Baden-Baden: |
221 | Nomos Verlag 2009. S. 369.]. |
222 | |
223 | Anknüpfend an einen Vorschlag von Lawrence Lessig schlägt |
224 | Hansen eine radikale Verkürzung der Schutzfrist auf |
225 | beispielsweise fünf Jahre ab Veröffentlichung vor. Danach |
226 | soll es eine kostenpflichtige Verlängerungsoption für den |
227 | Schutzrechtsinhaber geben [Fußnote: Hansen, Gerd: Warum |
228 | Urheberrecht? Die Rechtfertigung des Urheberrechts unter |
229 | besonderer Berücksichtigung des Nutzerschutzes. Baden-Baden: |
230 | Nomos Verlag 2009. S. 370 ff.]. Kreutzer hingegen plädiert |
231 | für eine variable Regelung, die an die Konzeption der |
232 | Urhebernachfolgevergütung anknüpft [Fußnote: Kreutzer, Till: |
233 | Das Modell des deutschen Urheberrechts und |
234 | Regelungsalternativen. München: Nomos Verlag 2008. S. 481 |
235 | ff.]. Schutzrechte sollen demnach nur eine Zeit lang als |
236 | ausschließliche gewährt und hernach als |
237 | Beteiligungsansprüche ausgestaltet werden (möglicherweise |
238 | nur für gewerbliche Nutzungen), bevor die Nutzung ganz |
239 | urheberrechtsfrei wird [Fußnote: Kreutzer, Till: Das Modell |
240 | des deutschen Urheberrechts und Regelungsalternativen. |
241 | München: Nomos Verlag 2008. S. 485.]. |
242 | |
243 | Schutzfristverlängerungen, wie sie derzeit etwa im Hinblick |
244 | auf die Leistungsschutzrechte der Tonträgerunternehmen |
245 | diskutiert werden, nutzen den Medienunternehmen, die die |
246 | Inhaber dieser Rechte sind, nicht jedoch den Künstlern |
247 | selbst. |
248 | |
249 | Aus den aktuell zu langen Schutzfristen resultiert |
250 | insbesondere das Problem der verwaisten Werke, für das |
251 | bislang weder auf nationaler noch auf EU-Ebene eine Lösung |
252 | gefunden wurde. Da abzusehen ist, dass in der digitalen Welt |
253 | Werke noch viel eher verwaisen als in der analogen Welt, |
254 | wird dieses Problem sich eher noch verschärfen, wenn nicht |
255 | eine grundsätzliche Schutzfristverkürzung in Angriff |
256 | genommen wird. |
257 | |
258 | Grundsätzlich ist auch zu erwägen, über eine Änderung der |
259 | Berner Konvention zu einer Registrierungsmöglichkeit zu |
260 | gelangen, die zur Voraussetzung für einen vollumfänglichen |
261 | Urheberrechtsschutz erklärt werden könnte. Ebenso ist die |
262 | Reduktion des Ausschließlichkeitsrechts auf einen |
263 | Vergütungsanspruch im digitalen Raum eine Möglichkeit, die |
264 | durch die lange Schutzdauer für die Allgemeinheit |
265 | erwachsenen Restriktionen stärker einzugrenzen. |
digulla
Ich bin für kürzere Schutzrechte, aus folgenden Gründen:
Künstler produzieren Kunst, egal ob es ein Urheberrecht gibt oder nicht. Sie müssen tätig werden, das Kunstwerk will heraus und muss geschaffen werden. Kunst wird nicht besser oder schlechter, wenn man sie finanziell entschädigt; nur selten bessern sich dadurch die Lebensumstände des Künstlers.
Von einigen, wenigen Ausnahmen abgesehen, sind die Künstler gar nicht scharf auf Geld (und die ganzen Probleme, die es mit sich bringt). Zudem zeigt die Praxis, dass von allen Künstlern nur eine Handvoll von ihrer Arbeit direkt leben können. Die meisten Schriftsteller haben einen Beruf und schreiben nebenbei. Nur ganz wenige werden davon reich. Daher ist die aktuelle Gesetzeslage für Künstler eher von Nachteil und eine Verschärfung bietet keine erkennbare Verbesserung der Situation.
Ein restriktives Copyright führt zu weniger Büchern und zu schlechterer Bezahlung der Autoren (siehe etwa http://www.heise.de/tp/r4/artikel/33/33092/1.html). Auch die Geschichte des Copyright zeigt deutlich, dass es nie um die Rechte und den Schutz der Künstler ging (auch wenn das immer behauptet wurde). Beispiel: http://falkvinge.net/2011/02/01/history-of-copyright-part-1-black-death/ (English)
Wenn man die Schutzzeiten verkürzt, dann zwingt man die Verlage und andere "Parasiten" des Systems für mehr Kunst zu sorgen. Wenn man die Zeiten verlängert, dann setzen sie sich auf die Kunst drauf, ziehen Zäune und lassen Soldaten patrouillieren, um ihr "Eigentum" zu verteidigen. Das ist für niemand ein Vorteil, auch wenn anders argumentiert wird.
Bibliotheken und die Allgemeinheit leiden unter langen Schutzzeiten (wie im Artikel oben beschrieben).
Man kann niemanden zwingen Geld für Kunst auszugeben. Aber Rechteverwerter behaupten, es sei ihr Recht, nein, ihre Pflicht die Menschen zum Konsum zu zwingen.
Längere Schutzrechte schützen nicht vor Ausbeutung, im Gegenteil. Bei einer kurzen Schutzzeit kann ein Künstler seine entführten Werke noch zu Lebzeiten wieder verwerten. Bei einer langen Schutzzeit kann ein Konzern mit seinen Anwälten einen Künstler am ausgestreckten Arm verhungern lassen.
Und selbst wenn es eine Zusammenarbeit gibt, dann muss ein Künstler für die Verwertung einen Konzern beauftragen, d.h. da gibt es einen 10-seitigen Vertrag unterschreiben. In dem er alle Rechte für jede Art von Verwertung an den Konzern abtreten muss. Und der ist von den Anwälten des Konzern sorgfältig über Jahrzehnte entwickelt worden, während kaum ein Künstler es sich die Mühe machen will, das Wort für Wort zu verstehen. Oder das Geld hat, einen eigenen Anwalt mit der Prüfung zu beauftragen. Was nichts nützen würde: Der Konzern stellt sich einfach auf den Standpunkt, dass alle den gleichen Vertrag bekommen. Welche Wahl hat der Künstler dann? Ein anderer Konzern? Das gleiche in Grün.
Beispiel: Ich bin Schriftsteller. Ich persönlich möchte meine Zeit damit verbringen meine Geschichten zu schreiben und nicht elende Vertragsverhandlungen mit einem Verlag führen. Einem Verlag, dessen Sorgen sich im Moment nicht um mich drehen, sondern wie man die Leser am besten ausquetschen kann. <sarkasmus>Es ist ja nicht so, dass man das Internet verschlafen hätte, aber dass Leute ihre Bücher selbst digitalisieren, das geht ja nun nicht. Wo kämen wir denn da hin, wenn jeder machen würde, was er will - statt nur wir.</sarkasmus>
Zusammenfassung: Aus meiner persönlichen Sicht sind diese ganzen Gesetze und Vorschriften nur dazu da, um die bestehenden, altertümlichen Strukturen zu zementieren, die Künstler weiter ungestraft ausbeuten zu können und der Allgemeinheit möglichst viel Geld abzupressen: Als Buch, Film, Hörbuch, dann nochmal für ein Bibliotheksexemplar und pro Seite, wenn ein Lehrer Auszüge für den Unterricht kopiert. Am besten mehrmals für das gleiche Werk. Und wenn es geht pro Wort.
Um die eigene Gier zu vertuschen wird dann von "Wir tun alles nur für den armen Künstler" geredet - nur könnte der Künstler jetzt schon reich sein, wenn man ihm mehr als 4% vom Kaufpreis überlassen würde. Oder wenn die GEMA keine Gebühren für die Aufführung der eigenen(!) Stücke verlangen würde, die höher als die anteilige Ausschüttung ist (Übersetzung: Je öfter man seine eigenen Werke aufführt, desto ärmer wird man).
Leider reden wir hier von einer Industrie, die jedes Jahr Milliarden umsetzt. Da frage ich mich doch, wie es sein kann, dass da irgendeine beteiligte Person arm bleibt? Bei so viel Geld muss doch etwas hängen bleiben - aber halt nicht bei den Künstlern.
Aber bei so viel Geld ist natürlich ein enormer Druck da, nichts zu ändern oder wenigstens die Profite von einigen wenigen weiter zu steigern.
Mein Vorschlag für eine neue Regelung:
20 Jahre (= 1 Generation) sind viel Zeit, um noch mehr Kunstwerke zu erschaffen, von denen man dann leben kann - weil die Verwerter sich um jeden Künstler reissen werden.
Und warum Ur-Ur-Ur-Ur-Ur-Enkel wirtschaftlich an einem Werk beteiligt werden sollen ist mir nicht so klar. Was haben die geleistet, ausser geboren zu werden? Hatten wir nicht die Erbmonarchie abgeschafft? Und sie erben ja das Geld, was der Künstler verdient hat. Wenn er also ordentlich verdienen könnte, dann ist die Regelung unnötig.
Jetzt gibt es noch das Problem mit dem EU Recht. Aber auch EU Recht ist nicht gottgegeben. Daher wäre mein Wunsch an die Bundesregierung diese Regelung EU-weit durchzusetzen.
Simon Hirscher
Allgemein: Vielleicht erstellst Du zu Deinen Anregungen einen separaten Vorschlag? Hier sollte eigentlich eher das Papier selbst diskutiert werden.
Zu Grund Nr. 6: Das sehe ich nicht so. Wenn es eine Nachfrage nach einem Werk gibt, sollte dessen Urheber auch angemessen entlohnt werden. Siehe meinen Kommentar zur Privatkopie.
Nur was ist, wenn sein Werk zu seinen Lebzeiten keine Anerkennung findet? Ich hatte zu dem Thema mal hier mal etwas geschrieben.
FlorianEbnet
"Nur was ist, wenn sein Werk zu seinen Lebzeiten keine Anerkennung findet?"
Das nennt man wahlweise unternehmerisches Risiko oder Pech. Bei aller Liebe, aber es gibt kein Grundrecht auf Profit.
digulla
Danke für den Hinweis; das werde ich mal versuchen.
Das meinte ich nicht. Mein Punkt ist die zunehmende Verzweiflung der Zwischenhändler. Warum versuchen die Musikhersteller dann mir immer ein ganzes Album zu verkaufen? Warum fängt heute jeder Film mit "Du bist ein Verbrecher" an? Warum darf ich eine Privatkopie herstellen, kann aber nicht, weil die Werkzeuge dazu verboten sind? Warum werden Privatleute verklagt, wenn sie sich mit dem Kopierschutz der Sony Playstation beschäftigen?
Welchen Beitrag haben dann die Erben zur Anerkennung des Werkes geleistet? Haben sie es überarbeitet? Werbung dafür gemacht? Oder sind sie einfach zufällige Nutzniesser, so wie ein Glückspilz, der EUR 100'000,- auf der Strasse findet?
Eckhard_Hoeffner
Ich möchte noch zu den Zeilen 119 bis 136 anmerken. Der Vorschlag beschränkt sich nicht auf kürzere Schutzfristen, sondern sieht auch Begrenzung der Übertragungsmöglichkeiten für das gewährte Ausschließlichkeitsrecht vor. Damit sollen mehrere Ziele erreicht werden:
Simon Hirscher
Aus den Zeilen 119-136 lässt sich das aber kaum herauslesen… Oder habe ich etwas übersehen?
APraetorius
Ist der Vorschlag jetzt PRO oder KONTRA kürzere Schutzrechte? Kommt mir vor wie die Auflistung des Für und Wider nur ist es dadurch schwierig zu entscheiden ob man DAFÜR oder DAGEGEN stimmen soll.
"Auf der anderen Seite könnten verkürzte Schutzfristen das unternehmerische Risiko vergrößern. Dies könnte auch zu einem Verlust an Vielfalt und Qualität von Kulturgütern führen."
Diese Gefahr scheint mir absolut unbegründet. Nur fehlende Schutzfristen eröffnen dieses Risiko.
"Nach Ablauf einer gewissen Zeit überwiegt das Interesse der Allgemeineheit an einer freien Nutzung des geschaffenen Geistesguts gegenüber den Interesssen des Rechteinhabers."
Ja das sehe ich genauso.
"Anknüpfend an einen Vorschlag von Lawrence Lessig schlägt Hansen eine radikale Verkürzung der Schutzfrist auf beispielsweise fünf Jahre ab Veröffentlichung vor. Danach soll es eine kostenpflichtige Verlängerungsoption für den Schutzrechtsinhaber geben [Fußnote: Hansen, Gerd: Warum Urheberrecht? Die Rechtfertigung des Urheberrechts unter besonderer Berücksichtigung des Nutzerschutzes."
Das ist ein sehr guter Vorschlag, denn spontan fallen mir fast keine Werke ein welche 5 Jahre nach Entstehung noch besonders relevant wären. Und die die Minderheit der Werke die es sind, für deren Urheber kann eine Verlängerung der Schutzfrist als kostenpflichtige Option gewährt werden. Dann liegt es am Urherber abzuschätzen ob sich der Aufwand für ihn lohnt.
Neilo
Es ist eine Stellungnahme zur aktuellen Rechtslage wenn ich das richtig verstehe.
eckes
Siehe Kapitelüberschrift "Bestandsaufnahme". Es ist kein Vorschlag sondern ein Arbeitsergebnis.
Alvar Freude SV
Dieses Papier ist der aktuelle Arbeitsstand und ist als Kompromiss aus den bisherigen Verhandlungen herausgegangen. Dadurch finden sich auch beide Sichtweisen in diesem Text.
Daniel
APraetorius:Was Du hier siehst ist kein Vorschlag, sondern das Arbeitspapier, das den momentanen Stand der Projektgruppe zu dem Thema wiedergibt. Wenn Du einen Änderungsvorschlag zu diesem Papier hast, dann erstelle einen Vorschlag, binde unter "Umsetzung" dieses Papier ein und ändere die Stellen, die Du gerne anders hättest. Wenn die Projektgruppe das nächste Mal Tagt, wird sie alle Änderungsvorschläge einbringen (als Meinung des 18.Sachverständigen), die genug Unterstützung erhalten haben.
eckes
Gilt das nur für Vorschläge oder auch Kommentare? Ich habe einige (redaktionelle) Anmekrungen als Kommentare eingestelllt und würde die nur ungern als Vorschläge erneut einstellen wollen.
Alvar Freude SV
Du kannst einen Änderungsantrag ableiten, das ist (meines Wissens ;-) ) die richtige Funktion.
1000 ist dagegen
Für eine Bestandsaufnahme zur Schutzdauer werden Internationale Regelungen zur Harmonisierung (Zeile 16-22) viel zu knapp aufgeführt. Insbesondere solche mit Bezug zur Rechtsstellung ausserhalb der EU. z.B. TRIPS, WIPO etc. werden ausgespart. Dabei spielt es auch keine Rolle das hierbei viele Punkte aus anderen Konventionen übernommen wurden. So ist die Erläuterung aber IMHO unvollständig und auch irreführend. Insbesondere bei rekursiven Fragen des Urheberrechts durch internationale Abkommen wird es schnell unübersichtlich.
Eckhard_Hoeffner
Bei der Schutzdauer sollte m. E. getrennt werden zwischen
den sogenannten persönlichkeitsrechtlichen Aspekten und
den Regelungen, die den Zweck haben, den Urhebern materielle Vorteile zu verschaffen.
Die monistische Verbindung (wie wir sie in Deutschland haben) ist zwar keine singuläre Lösung, aber die Zwecke der Regelungskomplexe lassen eine Trennung ohne Verlust zu. Im deutschen Urheberrecht ist eine Aufspaltung des einheitlichen Urheberrechts auch dergestalt möglich, dass die Nutzungsrechte einem Erwerber übertragen werden, der das Vervielfältigungs- und Verbreitungsrecht unter Ausschluss des Urhebers innehat.
Weiterhin ist es angesichts der Vielzahl von internationalen Vereinbarungen (Berner Übereinkunft, WIPO, zahlr. bilaterale Verträge) und der EU-Richtlinie 2006/116/EG verlorene Liebesmüh, für Verkürzungen im deutschen Urheberrecht zu plädieren. Die EU-Richtlinie sieht zur Zeit vor: Die Schutzdauer des Urheberrechts an Werken der Literatur und Kunst im Sinne des Artikels 2 der Berner Übereinkunft umfasst das Leben des Urhebers und siebzig Jahre nach seinem Tod, unabhängig von dem Zeitpunkt, zu dem das Werk erlaubterweise der Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden ist.
Deutsche Alleingänge sind deshalb bei Schutzdauer kaum umsetzbar.
Simon Hirscher
Zum letzten Punkt: Die Kommission beschließt ja auch keine "deutschen Alleingänge", sondern gibt Handlungsempfehlungen. Wenn die Kommission den Bundestag nicht auf den (internationalen) Handlungsbedarf hinsichtlich der Schutzdauer hinweist, wer dann? Es hilft ja nichts, irgendein Staat wird wohl den Anfang machen müssen und Verhandlungen zu anderen aufnehmen müssen, um die Schutzdauer international herabzusetzen. Wieso nicht Deutschland?
Eckhard_Hoeffner
Dann ist es klar. Danke.
Simon Hirscher
Z. 154ff: "Das geltende Recht trägt solchen Überlegungen Rechnung. Allerdings basiert es auf Gegebenheiten der analogen Welt. Dass mit dem Internet eine leichtere Vervielfältigung und Verbreitung urheberrechtlich geschützter Werke möglich geworden ist, die sich faktisch nicht mehr effektiv kontrollieren lässt, lässt die geltenden Schutzfristen eindeutig als zu lang erscheinen."
Folgt man der Logik des letzten Satzes, könnten wir das Urheberrecht fast komplett abschaffen, da sich dessen Einhaltung in Zeiten der Digitalisierung kaum mehr kontrollieren lässt. Auch wenn ich der Argumentation des Alternativtextes sonst sehr gut folgen kann, finde ich diesen Teil doch reichlich unausgegoren. Letztlich fehlt eine genaue argumentative Begründung, wieso eine kürze Schutzdauer wünschenswert ist.
Simon Hirscher
Z.112ff: "Neben einer Vereinheitlichung der Schutzdauer werden daher auch grundsätzlichere Anpassungen diskutiert. So gibt es beispielsweise unterschiedlich motivierte Überlegungen, Leistungsschutzrechte auszuweiten und die Schutzfristen zu verlängern. Die Auswirkungen dieser Überlegungen werden unterschiedlich beurteilt."
Welche Anpassungen sind das ganz konkret, die diskutiert werden? Ich gehe mal davon aus, dass dies auch eine Anspielung auf das von Printmedien geforderte Leistungsschutzrecht auf journalistische "Qualitäts"werke sein soll? Wenn ja, wieso wird dieses hier nicht explizit erwähnt? Andererseits: Was hat das mit der Schutzdauer zu tun?
Falls ich mit meiner Vermutung falsch liegen sollte und dies keine Anspielung ist: Was soll mir dieser Absatz dann überhaupt sagen? Oder folgt eine genauere Erläuterung dann gemäß Arbeitsprogramm im 2. Teil, der "Analyse"?
Simon Hirscher
Umfasst der Alternativvorschlag von DIE LINKE den gesamten vorigen Text plus den zusätzlich von ihnen eingebrachten Teil oder nur letzteren?
Prinzipiell gefällt mir die Herangehensweise des Alternativvorschlages besser, da er die Bedeutung der Schutzdauer mithilfe der Zitate und Referenzen umfassender darstellt. Andererseits gehören die Plädoyers für eine (deutlich) kürze Schutzdauer aus meiner Sicht nicht in die Bestandsaufnahme, sondern eindeutig in die Abteilung der Handlungsempfehlungen. Letztlich wäre ich vermutlich für eine Kombination beider Textvorschläge: Beim Alternativtext fehlt die Angabe zu den unterschiedlichen Schutzdauern bei Urheber- und Leistungsschutzrecht (was eine Harmonisierung sicherlich wünschenswert macht), sowie ein ausführlicher Verweis auf die bestehende EU-Richtlinie.
Ich denke, ich werde da morgen mal einen Vorschlag erstellen, der beide Texte entsprechend kombiniert.