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Originalversion

1 Fragen der Schutzdauer
2
3 Bestandsaufnahme:
4 Mit der Urheberrechtsreform von 1964 wurden die
5 Schutzfristen auf 70 Jahre nach dem Tode der Urheber
6 ausgedehnt.
7
8 Hintergrund der Festlegung der Regelschutzdauer des § 64
9 UrhG auf 70 Jahre post mortem auctoris ist, dass man davon
10 ausgeht, dass bis zu diesem Zeitpunkt noch nahe Angehörige
11 des Urhebers am Leben sind, welche die Rechte an vorhandenen
12 Werken wahrnehmen [Fußnote: Wandtke/Bullinger,
13 Praxiskommentar zum Urheberrecht, 3. Auflage 2009, § 64 Rn.
14 1.].
15
16 Allerdings sind die Fristen der Urheberrechte und verwandten
17 Schutzrechte mittlerweile EU-weit geregelt, was den
18 Handlungsspielraum des deutschen Gesetzgebers in Bezug auf
19 Schutzfristverlängerungen oder –verkürzungen beträchtlich
20 einengt [Fußnote:
21 http://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=CELEX:
22 32006L0116:DE:NOT].
23
24 So ist zu beachten, dass die gegenwärtigen Regelungen zur
25 Schutzdauer im Urhebergesetz auf der Richtlinie 93/98/EWG
26 des Rates der EU vom 29. Oktober 1993 zur Harmonisierung der
27 Schutzdauer des Urheberrechts und bestimmter verwandter
28 Schutzrechte („Schutzdauer-Richtlinie“) basieren, deren
29 Vorgaben bindend sind.
30
31 Die EU-Kommission und der Rechtsausschuss des EU-Parlaments
32 haben sich mit einem Richtlinienvorschlag für eine
33 Vollharmonisierung der Schutzfristen für
34 Leistungsschutzrechte auf 95 Jahre eingesetzt (Vorschlag
35 abrufbar unter
36 http://eurlex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=COM:200
37 8:0464:FIN:DE:PDF).
38 Schutzfristen begründen Verwertungsmonopole auf Zeit. Sie
39 sind hinsichtlich ihrer Dauer wichtige Instrumente zur
40 Herbeiführung eines Interessenausgleichs zwischen Interessen
41 von Urhebern, Verwertern, Nutzern und Allgemeinheit.
42
43 Dies führt dazu, dass zwei, drei Generationen nach Ableben
44 des Urhebers oder der Urheberin das Werk der Allgemeinheit
45 immer noch nicht zugänglich gemacht werden kann, es sei
46 denn, die Rechteinhaber erteilen ihre Zustimmung.
47
48 „Beim hochpersönlichen Urheberrecht lockere sich nach dem
49 Tod des Urhebers mit Ablauf der Zeit immer mehr der
50 legitimierende Zusammenhang des Rechts mit dem
51 ursprünglichen Schöpfer des Werks und zwar auch hinsichtlich
52 der Verwertungsrechte, die sich nicht im Sinne einer
53 völligen Verselbständigung aus der Urheberbeziehung
54 herauslösen ließen. […] Je mehr Generationen
55 schutzberechtigt würden, umso mehr würden die Beziehungen
56 zum Urheber verblassen, umso größer werde die Zahl der
57 Berechtigten und desto mehr verliere die Fortdauer des
58 Schutzes ihre innere Berechtigung.“ [Fußnote: Fechner,
59 Frank: Geistiges Eigentum und Verfassung. Schöpferische
60 Leistungen unter dem Schutz des Grundgesetzes. Tübingen:
61 Mohr Siebeck 1999, S. 399. ]. Demgegenüber hebt die
62 Begründung der Anhänger der Immaterialgüterlehre auf die
63 Interessen der Allgemeinheit ab: „Das Interesse der
64 Allgemeinheit an einer Nutzung des geschaffenen Geistesgutes
65 überwiegt dieser Ansicht nach zumindest nach Ablauf einer
66 gewissen Zeit gegenüber den Interessen des Rechtsinhabers
67 bzw. seiner Erben an einer wirtschaftlichen Nutzung seines
68 geistigen Eigentums.[…]“ [Fußnote: Fechner, Frank: Geistiges
69 Eigentum und Verfassung. Schöpferische Leistungen unter dem
70 Schutz des Grundgesetzes. Tübingen: Mohr Siebeck 1999, S.
71 401.].
72
73 Diese Situation ist insbesondere für Archive und
74 Bibliotheken prekär, die sich mit ihrer Arbeit in
75 zunehmenden Grauzonen wiederfinden, wenn sie Werke
76 digitalisieren und der Allgemeinheit zugänglich machen
77 wollen.
78
79 Archive und Bibliotheken stehen bei der Digitalisierung
80 ihres Archivmaterials vor einer großen Herausforderung: Für
81 eine öffentliche Zugänglichmachung ihres digitalisierten
82 Materials brauchen sie die Zustimmung des Urhebers und
83 müssen dazu aufgrund der teils lange zurückreichenden
84 Schutzfristen oft in detektivischer Arbeit den
85 Rechtsnachfolger ermitteln. Wären die Schutzfristen kürzer,
86 könnte also mehr Material gemeinfrei zur Verfügung gestellt
87 werden. Bis dahin können Archive und Bibliotheken ihre
88 Exponate zwar gem. § 53 II Nr. 2 UrhG digitalisieren, aber
89 ohne die Zustimmung der Urheber oder eine Regelung zu den
90 verwaisten Werken eben nicht ausstellen [Fußnote: Für eine
91 ausführliche Darstellung dieser Thematik siehe „Digitale
92 Sicherung und Nutzbarkeit von Kulturgütern – Umgang mit
93 verwaisten Werken“].
94
95 Das geltende Urheberrechtssystem ist außerdem geprägt von
96 dem Umstand, dass es zwei Schutzinstrumente gibt, die
97 jeweils für sich durch relativ lange Schutzfristen
98 gekennzeichnet sind und kumulativ Anwendung finden können.
99
100 Die Schutzdauer für Urheber- und Leistungsschutzrechte ist
101 unterschiedlich lang und auch differenziert ausgestaltet. So
102 knüpft die Schutzdauer für das Urheberrecht an den Tod des
103 Autors an und geht darüber hinaus. Die Schutzdauer der
104 Leistungsschutzrechte beginnt demgegenüber ab der
105 Erstaufführung oder dem erstmaligen Erscheinen. Unter
106 Umständen können so auch noch viele Jahre nach dem Tod des
107 Autors neue Leistungsschutzrechte begründet werden, die dann
108 deutlich über die urheberrechtliche Schutzfrist hinaus
109 gelten. Leistungsschutzrechte können dementsprechend
110 zusätzliche Einnahmequellen erschließen, andererseits können
111 sie aber auch die Gemeinfreiheit von Werken zeitlich
112 hinausschieben. Neben einer Vereinheitlichung der
113 Schutzdauer werden daher auch grundsätzlichere Anpassungen
114 diskutiert. So gibt es beispielsweise unterschiedlich
115 motivierte Überlegungen, Leistungsschutzrechte auszuweiten
116 und die Schutzfristen zu verlängern. Die Auswirkungen dieser
117 Überlegungen werden unterschiedlich beurteilt.
118
119 Auf der einen Seite werden durch kürzere Schutzfristen ein
120 regerer Wettbewerb zwischen Werkvermittlern und ein
121 breiteres Angebot von Kulturgütern erwartet. [Fußnote:
122 Eckhard Höffner, Geschichte und Wesen des Urheberrechts,
123 2010]. Auf der anderen Seite könnten verkürzte Schutzfristen
124 das unternehmerische Risiko vergrößern. Dies könnte auch zu
125 einem Verlust an Vielfalt und Qualität von Kulturgütern
126 führen.
127
128 Verwerter können sich dann nämlich eben nicht auf einen
129 ihnen zugesicherten Zeitraum zurückziehen, sondern stehen in
130 direkter Konkurrenz zu anderen Verwertern. Wettbewerb stellt
131 einen erhöhten Anreiz zu stetiger Optimierung der
132 Verwerterleistungen, zu schnellerer und umfassenderer
133 Nachfragebefriedigung und zu größerem Service gegenüber
134 Urhebern und Kunden dar. Auch die Funktionsfähigkeit des
135 Marktes kann damit durch kürzer zu bemessende Fristen
136 gestärkt werden.
137
138 Alternativer Textvorschlag von DIE LINKE. ab hier
139 Dass der Urheberrechtsschutz an Immaterialgütern stets
140 zeitlich befristet ist, begründet sich aus wichtigen
141 Unterschieden zum Sacheigentum. Einerseits spielt hier die
142 persönlichkeitsrechtliche Komponente des Rechts eine Rolle:
143 Nach dem Tod des Urhebers lockert sich mit der Zeit der
144 legitimierende Zusammenhang des Rechts mit dem
145 ursprünglichen Schöpfer des Werks. Je mehr Generationen
146 schutzberechtigt würden, umso mehr würde die Fortdauer des
147 Schutzes ihre innere Berechtigung verlieren. Doch auch aus
148 der Interessenabwägung zwischen Eigentumsinteressen und
149 solchen des Allgemeinwohls gelangt man zu diesem Schluss.
150 Nach Ablauf einer gewissen Zeit überwiegt das Interesse der
151 Allgemeineheit an einer freien Nutzung des geschaffenen
152 Geistesguts gegenüber den Interesssen des Rechteinhabers.
153
154 Das geltende Recht trägt solchen Überlegungen Rechnung.
155 Allerdings basiert es auf Gegebenheiten der analogen Welt.
156 Dass mit dem Internet eine leichtere Vervielfältigung und
157 Verbreitung urheberrechtlich geschützter Werke möglich
158 geworden ist, die sich faktisch nicht mehr effektiv
159 kontrollieren lässt, lässt die geltenden Schutzfristen
160 eindeutig als zu lang erscheinen.
161
162 Das Bundesverfassungsgericht erläutert in seiner
163 „Schallplatten-Entscheidung“, die Angemessenheit der
164 urheberrechtlichen Schutzdauer könne „zu verschiedenen
165 Zeiten je nach Bewertung der widerstreitenden Interessen
166 verschieden beurteilt werden.“ [Fußnote: Schallplatten,
167 BVerfGE 31, S. 275 ff.,
168 http://archiv.jura.uni-saarland.de/urheberrecht/entscheidung
169 en/bverfg/1bvr766-66.html]. Die Eigentumsgarantie der
170 Verfassung biete weder die Gewähr einer ewigen Schutzdauer,
171 noch verpflichte sie den Gesetzgeber, die Geltungsdauer auf
172 einen bestimmten Zeitraum festzulegen.
173
174 Ein späteres Bundesverfassungsgerichtsurteil, das
175 Vollzugsanstalten-Urteil, hat überdies bestätigt, dass Werke
176 die Tendenz haben, mit zunehmendem zeitlichen Abstand zur
177 Veröffentlichung an privatrechtlicher Bindung einzubüßen:
178 „Mit der Veröffentlichung steht das geschützte Musikwerk
179 nicht mehr allein seinem Schöpfer zur Verfügung. Es tritt
180 vielmehr bestimmungsgemäß in den gesellschaftlichen Raum und
181 kann damit zu einem eigenständigen, das kulturelle und
182 geistige Bild der Zeit mitbestimmenden Faktor werden
183 (BVerfGE 31, 229 [242]; 49, 382 [394]). Es löst sich mit der
184 Zeit von der privatrechtlichen Verfügbarkeit und wird
185 geistiges und kulturelles Allgemeingut (BVerfGE 58, 137 [148
186 f.]). Dies ist zugleich die innere Rechtfertigung für die
187 zeitliche Begrenzung des Urheberschutzes durch § 64 Abs. 1
188 UrhG.“ [Fußnote: Vollzugsanstalten, BVerfGE 79, S. 29 ff.,
189 http://archiv.jura.uni-saarland.de/urheberrecht/entscheidung
190 en/bverfg/1bvr743-86.html]. Hieraus folgt, dass
191 grundsätzlich Schutzrechtsverkürzungen möglich sind, auch
192 wenn diese auf EU-Ebene durchgesetzt werden müssten
193 [Fußnote:
194 http://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=CELEX:
195 32006L0116:DE:NOT].
196 Schon die Gesetzesbegründung zur Urheberrechtsreform von
197 1965 erwähnt, nur die wenigsten Werke seien nach Ablauf der
198 Schutzdauer noch von vermögensrechtlichem Interesse
199 [Fußnote: Begründung des Regierungsentwurfes. BT-Drucksache
200 IV/270, S. 27-117. Zit. nach: Archiv für Urheber- Film-
201 Funk- und Theaterrecht UFITA, Bd. 45:2 (1965), S. 240-336.
202 S. 295.]. Auch Thomas Dreier äußert sich in seinem
203 Urheberrechtskommentar skeptisch [Fußnote: Dreier, Thomas,
204 Schulz, Gernot: Urheberrechtsgesetz. München: C.H. Beck 3.
205 Aufl. 2008. Vor §§ 64 ff., Rdnr. 1.]. Till Kreutzer glaubt,
206 dass die Schutzdauer in der Regel weit über das hinausgeht,
207 was zum Anreiz kreativer Leistungen erforderlich wäre.
208 Vielmehr seien die langen Schutzfristen nachgerade
209 hinderlich, insbesondere bei technisch-funktionalen Werken,
210 deren „Lebensdauer“ technologiebedingt viel kürzer sei
211 [Fußnote: Kreutzer, Till: Den gordischen Knoten
212 durchschlagen – Ideen für ein neues Urheberrechtskonzept.
213 In: Copy. Right. Now! Plädoyers für ein zukunftstaugliches
214 Urheberrecht. Hrsg. Heinrich-Böll-Stiftung & iRights.info.
215 Berlin 2010, S. 45-55. S. 54.]. Gerd Hansen weist zudem auf
216 die Schnelllebigkeit einer modernen Mediengesellschaft hin:
217 Die allermeisten Werke würden nur für einen relativ kurzen
218 Zeitraum verwertet [Fußnote: Hansen, Gerd: Warum
219 Urheberrecht? Die Rechtfertigung des Urheberrechts unter
220 besonderer Berücksichtigung des Nutzerschutzes. Baden-Baden:
221 Nomos Verlag 2009. S. 369.].
222
223 Anknüpfend an einen Vorschlag von Lawrence Lessig schlägt
224 Hansen eine radikale Verkürzung der Schutzfrist auf
225 beispielsweise fünf Jahre ab Veröffentlichung vor. Danach
226 soll es eine kostenpflichtige Verlängerungsoption für den
227 Schutzrechtsinhaber geben [Fußnote: Hansen, Gerd: Warum
228 Urheberrecht? Die Rechtfertigung des Urheberrechts unter
229 besonderer Berücksichtigung des Nutzerschutzes. Baden-Baden:
230 Nomos Verlag 2009. S. 370 ff.]. Kreutzer hingegen plädiert
231 für eine variable Regelung, die an die Konzeption der
232 Urhebernachfolgevergütung anknüpft [Fußnote: Kreutzer, Till:
233 Das Modell des deutschen Urheberrechts und
234 Regelungsalternativen. München: Nomos Verlag 2008. S. 481
235 ff.]. Schutzrechte sollen demnach nur eine Zeit lang als
236 ausschließliche gewährt und hernach als
237 Beteiligungsansprüche ausgestaltet werden (möglicherweise
238 nur für gewerbliche Nutzungen), bevor die Nutzung ganz
239 urheberrechtsfrei wird [Fußnote: Kreutzer, Till: Das Modell
240 des deutschen Urheberrechts und Regelungsalternativen.
241 München: Nomos Verlag 2008. S. 485.].
242
243 Schutzfristverlängerungen, wie sie derzeit etwa im Hinblick
244 auf die Leistungsschutzrechte der Tonträgerunternehmen
245 diskutiert werden, nutzen den Medienunternehmen, die die
246 Inhaber dieser Rechte sind, nicht jedoch den Künstlern
247 selbst.
248
249 Aus den aktuell zu langen Schutzfristen resultiert
250 insbesondere das Problem der verwaisten Werke, für das
251 bislang weder auf nationaler noch auf EU-Ebene eine Lösung
252 gefunden wurde. Da abzusehen ist, dass in der digitalen Welt
253 Werke noch viel eher verwaisen als in der analogen Welt,
254 wird dieses Problem sich eher noch verschärfen, wenn nicht
255 eine grundsätzliche Schutzfristverkürzung in Angriff
256 genommen wird.
257
258 Grundsätzlich ist auch zu erwägen, über eine Änderung der
259 Berner Konvention zu einer Registrierungsmöglichkeit zu
260 gelangen, die zur Voraussetzung für einen vollumfänglichen
261 Urheberrechtsschutz erklärt werden könnte. Ebenso ist die
262 Reduktion des Ausschließlichkeitsrechts auf einen
263 Vergütungsanspruch im digitalen Raum eine Möglichkeit, die
264 durch die lange Schutzdauer für die Allgemeinheit
265 erwachsenen Restriktionen stärker einzugrenzen.

Der Text verglichen mit der Originalversion

1 Fragen der Schutzdauer
2
3 Bestandsaufnahme:
4 Mit der Urheberrechtsreform von 1964 wurden die
5 Schutzfristen auf 70 Jahre nach dem Tode der Urheber
6 ausgedehnt.
7
8 Hintergrund der Festlegung der Regelschutzdauer des § 64
9 UrhG auf 70 Jahre post mortem auctoris ist, dass man davon
10 ausgeht, dass bis zu diesem Zeitpunkt noch nahe Angehörige
11 des Urhebers am Leben sind, welche die Rechte an vorhandenen
12 Werken wahrnehmen [Fußnote: Wandtke/Bullinger,
13 Praxiskommentar zum Urheberrecht, 3. Auflage 2009, § 64 Rn.
14 1.].
15
16 Allerdings sind die Fristen der Urheberrechte und verwandten
17 Schutzrechte mittlerweile EU-weit geregelt, was den
18 Handlungsspielraum des deutschen Gesetzgebers in Bezug auf
19 Schutzfristverlängerungen oder –verkürzungen beträchtlich
20 einengt [Fußnote:
21 http://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=CELEX:
22 32006L0116:DE:NOT].
23
24 So ist zu beachten, dass die gegenwärtigen Regelungen zur
25 Schutzdauer im Urhebergesetz auf der Richtlinie 93/98/EWG
26 des Rates der EU vom 29. Oktober 1993 zur Harmonisierung der
27 Schutzdauer des Urheberrechts und bestimmter verwandter
28 Schutzrechte („Schutzdauer-Richtlinie“) basieren, deren
29 Vorgaben bindend sind.
30
31 Die EU-Kommission und der Rechtsausschuss des EU-Parlaments
32 haben sich mit einem Richtlinienvorschlag für eine
33 Vollharmonisierung der Schutzfristen für
34 Leistungsschutzrechte auf 95 Jahre eingesetzt (Vorschlag
35 abrufbar unter
36 http://eurlex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=COM:200
37 8:0464:FIN:DE:PDF).
38 Schutzfristen begründen Verwertungsmonopole auf Zeit. Sie
39 sind hinsichtlich ihrer Dauer wichtige Instrumente zur
40 Herbeiführung eines Interessenausgleichs zwischen Interessen
41 von Urhebern, Verwertern, Nutzern und Allgemeinheit.
42
43 Dies führt dazu, dass zwei, drei Generationen nach Ableben
44 des Urhebers oder der Urheberin das Werk der Allgemeinheit
45 immer noch nicht zugänglich gemacht werden kann, es sei
46 denn, die Rechteinhaber erteilen ihre Zustimmung.
47
48 „Beim hochpersönlichen Urheberrecht lockere sich nach dem
49 Tod des Urhebers mit Ablauf der Zeit immer mehr der
50 legitimierende Zusammenhang des Rechts mit dem
51 ursprünglichen Schöpfer des Werks und zwar auch hinsichtlich
52 der Verwertungsrechte, die sich nicht im Sinne einer
53 völligen Verselbständigung aus der Urheberbeziehung
54 herauslösen ließen. […] Je mehr Generationen
55 schutzberechtigt würden, umso mehr würden die Beziehungen
56 zum Urheber verblassen, umso größer werde die Zahl der
57 Berechtigten und desto mehr verliere die Fortdauer des
58 Schutzes ihre innere Berechtigung.“ [Fußnote: Fechner,
59 Frank: Geistiges Eigentum und Verfassung. Schöpferische
60 Leistungen unter dem Schutz des Grundgesetzes. Tübingen:
61 Mohr Siebeck 1999, S. 399. ]. Demgegenüber hebt die
62 Begründung der Anhänger der Immaterialgüterlehre auf die
63 Interessen der Allgemeinheit ab: „Das Interesse der
64 Allgemeinheit an einer Nutzung des geschaffenen Geistesgutes
65 überwiegt dieser Ansicht nach zumindest nach Ablauf einer
66 gewissen Zeit gegenüber den Interessen des Rechtsinhabers
67 bzw. seiner Erben an einer wirtschaftlichen Nutzung seines
68 geistigen Eigentums.[…]“ [Fußnote: Fechner, Frank: Geistiges
69 Eigentum und Verfassung. Schöpferische Leistungen unter dem
70 Schutz des Grundgesetzes. Tübingen: Mohr Siebeck 1999, S.
71 401.].
72
73 Diese Situation ist insbesondere für Archive und
74 Bibliotheken prekär, die sich mit ihrer Arbeit in
75 zunehmenden Grauzonen wiederfinden, wenn sie Werke
76 digitalisieren und der Allgemeinheit zugänglich machen
77 wollen.
78
79 Archive und Bibliotheken stehen bei der Digitalisierung
80 ihres Archivmaterials vor einer großen Herausforderung: Für
81 eine öffentliche Zugänglichmachung ihres digitalisierten
82 Materials brauchen sie die Zustimmung des Urhebers und
83 müssen dazu aufgrund der teils lange zurückreichenden
84 Schutzfristen oft in detektivischer Arbeit den
85 Rechtsnachfolger ermitteln. Wären die Schutzfristen kürzer,
86 könnte also mehr Material gemeinfrei zur Verfügung gestellt
87 werden. Bis dahin können Archive und Bibliotheken ihre
88 Exponate zwar gem. § 53 II Nr. 2 UrhG digitalisieren, aber
89 ohne die Zustimmung der Urheber oder eine Regelung zu den
90 verwaisten Werken eben nicht ausstellen [Fußnote: Für eine
91 ausführliche Darstellung dieser Thematik siehe „Digitale
92 Sicherung und Nutzbarkeit von Kulturgütern – Umgang mit
93 verwaisten Werken“].
94
95 Das geltende Urheberrechtssystem ist außerdem geprägt von
96 dem Umstand, dass es zwei Schutzinstrumente gibt, die
97 jeweils für sich durch relativ lange Schutzfristen
98 gekennzeichnet sind und kumulativ Anwendung finden können.
99
100 Die Schutzdauer für Urheber- und Leistungsschutzrechte ist
101 unterschiedlich lang und auch differenziert ausgestaltet. So
102 knüpft die Schutzdauer für das Urheberrecht an den Tod des
103 Autors an und geht darüber hinaus. Die Schutzdauer der
104 Leistungsschutzrechte beginnt demgegenüber ab der
105 Erstaufführung oder dem erstmaligen Erscheinen. Unter
106 Umständen können so auch noch viele Jahre nach dem Tod des
107 Autors neue Leistungsschutzrechte begründet werden, die dann
108 deutlich über die urheberrechtliche Schutzfrist hinaus
109 gelten. Leistungsschutzrechte können dementsprechend
110 zusätzliche Einnahmequellen erschließen, andererseits können
111 sie aber auch die Gemeinfreiheit von Werken zeitlich
112 hinausschieben. Neben einer Vereinheitlichung der
113 Schutzdauer werden daher auch grundsätzlichere Anpassungen
114 diskutiert. So gibt es beispielsweise unterschiedlich
115 motivierte Überlegungen, Leistungsschutzrechte auszuweiten
116 und die Schutzfristen zu verlängern. Die Auswirkungen dieser
117 Überlegungen werden unterschiedlich beurteilt.
118
119 Auf der einen Seite werden durch kürzere Schutzfristen ein
120 regerer Wettbewerb zwischen Werkvermittlern und ein
121 breiteres Angebot von Kulturgütern erwartet. [Fußnote:
122 Eckhard Höffner, Geschichte und Wesen des Urheberrechts,
123 2010]. Auf der anderen Seite könnten verkürzte Schutzfristen
124 das unternehmerische Risiko vergrößern. Dies könnte auch zu
125 einem Verlust an Vielfalt und Qualität von Kulturgütern
126 führen.
127
128 Verwerter können sich dann nämlich eben nicht auf einen
129 ihnen zugesicherten Zeitraum zurückziehen, sondern stehen in
130 direkter Konkurrenz zu anderen Verwertern. Wettbewerb stellt
131 einen erhöhten Anreiz zu stetiger Optimierung der
132 Verwerterleistungen, zu schnellerer und umfassenderer
133 Nachfragebefriedigung und zu größerem Service gegenüber
134 Urhebern und Kunden dar. Auch die Funktionsfähigkeit des
135 Marktes kann damit durch kürzer zu bemessende Fristen
136 gestärkt werden.
137
138 Alternativer Textvorschlag von DIE LINKE. ab hier
139 Dass der Urheberrechtsschutz an Immaterialgütern stets
140 zeitlich befristet ist, begründet sich aus wichtigen
141 Unterschieden zum Sacheigentum. Einerseits spielt hier die
142 persönlichkeitsrechtliche Komponente des Rechts eine Rolle:
143 Nach dem Tod des Urhebers lockert sich mit der Zeit der
144 legitimierende Zusammenhang des Rechts mit dem
145 ursprünglichen Schöpfer des Werks. Je mehr Generationen
146 schutzberechtigt würden, umso mehr würde die Fortdauer des
147 Schutzes ihre innere Berechtigung verlieren. Doch auch aus
148 der Interessenabwägung zwischen Eigentumsinteressen und
149 solchen des Allgemeinwohls gelangt man zu diesem Schluss.
150 Nach Ablauf einer gewissen Zeit überwiegt das Interesse der
151 Allgemeineheit an einer freien Nutzung des geschaffenen
152 Geistesguts gegenüber den Interesssen des Rechteinhabers.
153
154 Das geltende Recht trägt solchen Überlegungen Rechnung.
155 Allerdings basiert es auf Gegebenheiten der analogen Welt.
156 Dass mit dem Internet eine leichtere Vervielfältigung und
157 Verbreitung urheberrechtlich geschützter Werke möglich
158 geworden ist, die sich faktisch nicht mehr effektiv
159 kontrollieren lässt, lässt die geltenden Schutzfristen
160 eindeutig als zu lang erscheinen.
161
162 Das Bundesverfassungsgericht erläutert in seiner
163 „Schallplatten-Entscheidung“, die Angemessenheit der
164 urheberrechtlichen Schutzdauer könne „zu verschiedenen
165 Zeiten je nach Bewertung der widerstreitenden Interessen
166 verschieden beurteilt werden.“ [Fußnote: Schallplatten,
167 BVerfGE 31, S. 275 ff.,
168 http://archiv.jura.uni-saarland.de/urheberrecht/entscheidung
169 en/bverfg/1bvr766-66.html]. Die Eigentumsgarantie der
170 Verfassung biete weder die Gewähr einer ewigen Schutzdauer,
171 noch verpflichte sie den Gesetzgeber, die Geltungsdauer auf
172 einen bestimmten Zeitraum festzulegen.
173
174 Ein späteres Bundesverfassungsgerichtsurteil, das
175 Vollzugsanstalten-Urteil, hat überdies bestätigt, dass Werke
176 die Tendenz haben, mit zunehmendem zeitlichen Abstand zur
177 Veröffentlichung an privatrechtlicher Bindung einzubüßen:
178 „Mit der Veröffentlichung steht das geschützte Musikwerk
179 nicht mehr allein seinem Schöpfer zur Verfügung. Es tritt
180 vielmehr bestimmungsgemäß in den gesellschaftlichen Raum und
181 kann damit zu einem eigenständigen, das kulturelle und
182 geistige Bild der Zeit mitbestimmenden Faktor werden
183 (BVerfGE 31, 229 [242]; 49, 382 [394]). Es löst sich mit der
184 Zeit von der privatrechtlichen Verfügbarkeit und wird
185 geistiges und kulturelles Allgemeingut (BVerfGE 58, 137 [148
186 f.]). Dies ist zugleich die innere Rechtfertigung für die
187 zeitliche Begrenzung des Urheberschutzes durch § 64 Abs. 1
188 UrhG.“ [Fußnote: Vollzugsanstalten, BVerfGE 79, S. 29 ff.,
189 http://archiv.jura.uni-saarland.de/urheberrecht/entscheidung
190 en/bverfg/1bvr743-86.html]. Hieraus folgt, dass
191 grundsätzlich Schutzrechtsverkürzungen möglich sind, auch
192 wenn diese auf EU-Ebene durchgesetzt werden müssten
193 [Fußnote:
194 http://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=CELEX:
195 32006L0116:DE:NOT].
196 Schon die Gesetzesbegründung zur Urheberrechtsreform von
197 1965 erwähnt, nur die wenigsten Werke seien nach Ablauf der
198 Schutzdauer noch von vermögensrechtlichem Interesse
199 [Fußnote: Begründung des Regierungsentwurfes. BT-Drucksache
200 IV/270, S. 27-117. Zit. nach: Archiv für Urheber- Film-
201 Funk- und Theaterrecht UFITA, Bd. 45:2 (1965), S. 240-336.
202 S. 295.]. Auch Thomas Dreier äußert sich in seinem
203 Urheberrechtskommentar skeptisch [Fußnote: Dreier, Thomas,
204 Schulz, Gernot: Urheberrechtsgesetz. München: C.H. Beck 3.
205 Aufl. 2008. Vor §§ 64 ff., Rdnr. 1.]. Till Kreutzer glaubt,
206 dass die Schutzdauer in der Regel weit über das hinausgeht,
207 was zum Anreiz kreativer Leistungen erforderlich wäre.
208 Vielmehr seien die langen Schutzfristen nachgerade
209 hinderlich, insbesondere bei technisch-funktionalen Werken,
210 deren „Lebensdauer“ technologiebedingt viel kürzer sei
211 [Fußnote: Kreutzer, Till: Den gordischen Knoten
212 durchschlagen – Ideen für ein neues Urheberrechtskonzept.
213 In: Copy. Right. Now! Plädoyers für ein zukunftstaugliches
214 Urheberrecht. Hrsg. Heinrich-Böll-Stiftung & iRights.info.
215 Berlin 2010, S. 45-55. S. 54.]. Gerd Hansen weist zudem auf
216 die Schnelllebigkeit einer modernen Mediengesellschaft hin:
217 Die allermeisten Werke würden nur für einen relativ kurzen
218 Zeitraum verwertet [Fußnote: Hansen, Gerd: Warum
219 Urheberrecht? Die Rechtfertigung des Urheberrechts unter
220 besonderer Berücksichtigung des Nutzerschutzes. Baden-Baden:
221 Nomos Verlag 2009. S. 369.].
222
223 Anknüpfend an einen Vorschlag von Lawrence Lessig schlägt
224 Hansen eine radikale Verkürzung der Schutzfrist auf
225 beispielsweise fünf Jahre ab Veröffentlichung vor. Danach
226 soll es eine kostenpflichtige Verlängerungsoption für den
227 Schutzrechtsinhaber geben [Fußnote: Hansen, Gerd: Warum
228 Urheberrecht? Die Rechtfertigung des Urheberrechts unter
229 besonderer Berücksichtigung des Nutzerschutzes. Baden-Baden:
230 Nomos Verlag 2009. S. 370 ff.]. Kreutzer hingegen plädiert
231 für eine variable Regelung, die an die Konzeption der
232 Urhebernachfolgevergütung anknüpft [Fußnote: Kreutzer, Till:
233 Das Modell des deutschen Urheberrechts und
234 Regelungsalternativen. München: Nomos Verlag 2008. S. 481
235 ff.]. Schutzrechte sollen demnach nur eine Zeit lang als
236 ausschließliche gewährt und hernach als
237 Beteiligungsansprüche ausgestaltet werden (möglicherweise
238 nur für gewerbliche Nutzungen), bevor die Nutzung ganz
239 urheberrechtsfrei wird [Fußnote: Kreutzer, Till: Das Modell
240 des deutschen Urheberrechts und Regelungsalternativen.
241 München: Nomos Verlag 2008. S. 485.].
242
243 Schutzfristverlängerungen, wie sie derzeit etwa im Hinblick
244 auf die Leistungsschutzrechte der Tonträgerunternehmen
245 diskutiert werden, nutzen den Medienunternehmen, die die
246 Inhaber dieser Rechte sind, nicht jedoch den Künstlern
247 selbst.
248
249 Aus den aktuell zu langen Schutzfristen resultiert
250 insbesondere das Problem der verwaisten Werke, für das
251 bislang weder auf nationaler noch auf EU-Ebene eine Lösung
252 gefunden wurde. Da abzusehen ist, dass in der digitalen Welt
253 Werke noch viel eher verwaisen als in der analogen Welt,
254 wird dieses Problem sich eher noch verschärfen, wenn nicht
255 eine grundsätzliche Schutzfristverkürzung in Angriff
256 genommen wird.
257
258 Grundsätzlich ist auch zu erwägen, über eine Änderung der
259 Berner Konvention zu einer Registrierungsmöglichkeit zu
260 gelangen, die zur Voraussetzung für einen vollumfänglichen
261 Urheberrechtsschutz erklärt werden könnte. Ebenso ist die
262 Reduktion des Ausschließlichkeitsrechts auf einen
263 Vergütungsanspruch im digitalen Raum eine Möglichkeit, die
264 durch die lange Schutzdauer für die Allgemeinheit
265 erwachsenen Restriktionen stärker einzugrenzen.
  • Ich bin für kürzere Schutzrechte, aus folgenden Gründen:

    1. Künstler produzieren Kunst, egal ob es ein Urheberrecht gibt oder nicht. Sie müssen tätig werden, das Kunstwerk will heraus und muss geschaffen werden. Kunst wird nicht besser oder schlechter, wenn man sie finanziell entschädigt; nur selten bessern sich dadurch die Lebensumstände des Künstlers.

    2. Von einigen, wenigen Ausnahmen abgesehen, sind die Künstler gar nicht scharf auf Geld (und die ganzen Probleme, die es mit sich bringt). Zudem zeigt die Praxis, dass von allen Künstlern nur eine Handvoll von ihrer Arbeit direkt leben können. Die meisten Schriftsteller haben einen Beruf und schreiben nebenbei. Nur ganz wenige werden davon reich. Daher ist die aktuelle Gesetzeslage für Künstler eher von Nachteil und eine Verschärfung bietet keine erkennbare Verbesserung der Situation.

    3. Ein restriktives Copyright führt zu weniger Büchern und zu schlechterer Bezahlung der Autoren (siehe etwa http://www.heise.de/tp/r4/artikel/33/33092/1.html). Auch die Geschichte des Copyright zeigt deutlich, dass es nie um die Rechte und den Schutz der Künstler ging (auch wenn das immer behauptet wurde). Beispiel: http://falkvinge.net/2011/02/01/history-of-copyright-part-1-black-death/ (English)

    4. Wenn man die Schutzzeiten verkürzt, dann zwingt man die Verlage und andere "Parasiten" des Systems für mehr Kunst zu sorgen. Wenn man die Zeiten verlängert, dann setzen sie sich auf die Kunst drauf, ziehen Zäune und lassen Soldaten patrouillieren, um ihr "Eigentum" zu verteidigen. Das ist für niemand ein Vorteil, auch wenn anders argumentiert wird.

    5. Bibliotheken und die Allgemeinheit leiden unter langen Schutzzeiten (wie im Artikel oben beschrieben).

    6. Man kann niemanden zwingen Geld für Kunst auszugeben. Aber Rechteverwerter behaupten, es sei ihr Recht, nein, ihre Pflicht die Menschen zum Konsum zu zwingen.

    7. Längere Schutzrechte schützen nicht vor Ausbeutung, im Gegenteil. Bei einer kurzen Schutzzeit kann ein Künstler seine entführten Werke noch zu Lebzeiten wieder verwerten. Bei einer langen Schutzzeit kann ein Konzern mit seinen Anwälten einen Künstler am ausgestreckten Arm verhungern lassen.

    Und selbst wenn es eine Zusammenarbeit gibt, dann muss ein Künstler für die Verwertung einen Konzern beauftragen, d.h. da gibt es einen 10-seitigen Vertrag unterschreiben. In dem er alle Rechte für jede Art von Verwertung an den Konzern abtreten muss. Und der ist von den Anwälten des Konzern sorgfältig über Jahrzehnte entwickelt worden, während kaum ein Künstler es sich die Mühe machen will, das Wort für Wort zu verstehen. Oder das Geld hat, einen eigenen Anwalt mit der Prüfung zu beauftragen. Was nichts nützen würde: Der Konzern stellt sich einfach auf den Standpunkt, dass alle den gleichen Vertrag bekommen. Welche Wahl hat der Künstler dann? Ein anderer Konzern? Das gleiche in Grün.

    Beispiel: Ich bin Schriftsteller. Ich persönlich möchte meine Zeit damit verbringen meine Geschichten zu schreiben und nicht elende Vertragsverhandlungen mit einem Verlag führen. Einem Verlag, dessen Sorgen sich im Moment nicht um mich drehen, sondern wie man die Leser am besten ausquetschen kann. <sarkasmus>Es ist ja nicht so, dass man das Internet verschlafen hätte, aber dass Leute ihre Bücher selbst digitalisieren, das geht ja nun nicht. Wo kämen wir denn da hin, wenn jeder machen würde, was er will - statt nur wir.</sarkasmus>

    Zusammenfassung: Aus meiner persönlichen Sicht sind diese ganzen Gesetze und Vorschriften nur dazu da, um die bestehenden, altertümlichen Strukturen zu zementieren, die Künstler weiter ungestraft ausbeuten zu können und der Allgemeinheit möglichst viel Geld abzupressen: Als Buch, Film, Hörbuch, dann nochmal für ein Bibliotheksexemplar und pro Seite, wenn ein Lehrer Auszüge für den Unterricht kopiert. Am besten mehrmals für das gleiche Werk. Und wenn es geht pro Wort.

    Um die eigene Gier zu vertuschen wird dann von "Wir tun alles nur für den armen Künstler" geredet - nur könnte der Künstler jetzt schon reich sein, wenn man ihm mehr als 4% vom Kaufpreis überlassen würde. Oder wenn die GEMA keine Gebühren für die Aufführung der eigenen(!) Stücke verlangen würde, die höher als die anteilige Ausschüttung ist (Übersetzung: Je öfter man seine eigenen Werke aufführt, desto ärmer wird man).

    Leider reden wir hier von einer Industrie, die jedes Jahr Milliarden umsetzt. Da frage ich mich doch, wie es sein kann, dass da irgendeine beteiligte Person arm bleibt? Bei so viel Geld muss doch etwas hängen bleiben - aber halt nicht bei den Künstlern.

    Aber bei so viel Geld ist natürlich ein enormer Druck da, nichts zu ändern oder wenigstens die Profite von einigen wenigen weiter zu steigern.

    Mein Vorschlag für eine neue Regelung:

    1. Bei allen Werken muss der/die ursprüngliche Urheber genannt werden
    2. Ein Recht auf die kommerzielle Auswertung von Kunstwerken besteht über einen Zeitraum von 20 Jahren. Danach wird jedes Kunstwerk Allgemeingut und kann frei verwendet werden.
    3. Bei Tod fallen die Rechte an die Allgemeinheit.

    20 Jahre (= 1 Generation) sind viel Zeit, um noch mehr Kunstwerke zu erschaffen, von denen man dann leben kann - weil die Verwerter sich um jeden Künstler reissen werden.

    Und warum Ur-Ur-Ur-Ur-Ur-Enkel wirtschaftlich an einem Werk beteiligt werden sollen ist mir nicht so klar. Was haben die geleistet, ausser geboren zu werden? Hatten wir nicht die Erbmonarchie abgeschafft? Und sie erben ja das Geld, was der Künstler verdient hat. Wenn er also ordentlich verdienen könnte, dann ist die Regelung unnötig.

    Jetzt gibt es noch das Problem mit dem EU Recht. Aber auch EU Recht ist nicht gottgegeben. Daher wäre mein Wunsch an die Bundesregierung diese Regelung EU-weit durchzusetzen.

    • Allgemein: Vielleicht erstellst Du zu Deinen Anregungen einen separaten Vorschlag? Hier sollte eigentlich eher das Papier selbst diskutiert werden.

      Zu Grund Nr. 6: Das sehe ich nicht so. Wenn es eine Nachfrage nach einem Werk gibt, sollte dessen Urheber auch angemessen entlohnt werden. Siehe meinen Kommentar zur Privatkopie.

      Und warum Ur-Ur-Ur-Ur-Ur-Enkel wirtschaftlich an einem Werk beteiligt werden sollen ist mir nicht so klar. Was haben die geleistet, ausser geboren zu werden? Hatten wir nicht die Erbmonarchie abgeschafft? Und sie erben ja das Geld, was der Künstler verdient hat. Wenn er also ordentlich verdienen könnte, dann ist die Regelung unnötig.

      Nur was ist, wenn sein Werk zu seinen Lebzeiten keine Anerkennung findet? Ich hatte zu dem Thema mal hier mal etwas geschrieben.

      • "Nur was ist, wenn sein Werk zu seinen Lebzeiten keine Anerkennung findet?"

        Das nennt man wahlweise unternehmerisches Risiko oder Pech. Bei aller Liebe, aber es gibt kein Grundrecht auf Profit.

      • Allgemein: Vielleicht erstellst Du zu Deinen Anregungen einen separaten Vorschlag?

        Danke für den Hinweis; das werde ich mal versuchen.

        Wenn es eine Nachfrage nach einem Werk gibt, sollte dessen Urheber auch angemessen entlohnt werden.

        Das meinte ich nicht. Mein Punkt ist die zunehmende Verzweiflung der Zwischenhändler. Warum versuchen die Musikhersteller dann mir immer ein ganzes Album zu verkaufen? Warum fängt heute jeder Film mit "Du bist ein Verbrecher" an? Warum darf ich eine Privatkopie herstellen, kann aber nicht, weil die Werkzeuge dazu verboten sind? Warum werden Privatleute verklagt, wenn sie sich mit dem Kopierschutz der Sony Playstation beschäftigen?

        Was ist, wenn sein Werk zu seinen Lebzeiten keine Anerkennung findet?

        Welchen Beitrag haben dann die Erben zur Anerkennung des Werkes geleistet? Haben sie es überarbeitet? Werbung dafür gemacht? Oder sind sie einfach zufällige Nutzniesser, so wie ein Glückspilz, der EUR 100'000,- auf der Strasse findet?

  • Ich möchte noch zu den Zeilen 119 bis 136 anmerken. Der Vorschlag beschränkt sich nicht auf kürzere Schutzfristen, sondern sieht auch Begrenzung der Übertragungsmöglichkeiten für das gewährte Ausschließlichkeitsrecht vor. Damit sollen mehrere Ziele erreicht werden:

    1. Erhöhung der Einnahmen der Urheber.
    2. Bessere Verwertung der Werke unmittelbar nach der Veröffentlichung.
    3. Früher freier Zugang zu den Werken.
    • Aus den Zeilen 119-136 lässt sich das aber kaum herauslesen… Oder habe ich etwas übersehen?

  • Ist der Vorschlag jetzt PRO oder KONTRA kürzere Schutzrechte? Kommt mir vor wie die Auflistung des Für und Wider nur ist es dadurch schwierig zu entscheiden ob man DAFÜR oder DAGEGEN stimmen soll.

    "Auf der anderen Seite könnten verkürzte Schutzfristen das unternehmerische Risiko vergrößern. Dies könnte auch zu einem Verlust an Vielfalt und Qualität von Kulturgütern führen."

    Diese Gefahr scheint mir absolut unbegründet. Nur fehlende Schutzfristen eröffnen dieses Risiko.

    "Nach Ablauf einer gewissen Zeit überwiegt das Interesse der Allgemeineheit an einer freien Nutzung des geschaffenen Geistesguts gegenüber den Interesssen des Rechteinhabers."

    Ja das sehe ich genauso.

    "Anknüpfend an einen Vorschlag von Lawrence Lessig schlägt Hansen eine radikale Verkürzung der Schutzfrist auf beispielsweise fünf Jahre ab Veröffentlichung vor. Danach soll es eine kostenpflichtige Verlängerungsoption für den Schutzrechtsinhaber geben [Fußnote: Hansen, Gerd: Warum Urheberrecht? Die Rechtfertigung des Urheberrechts unter besonderer Berücksichtigung des Nutzerschutzes."

    Das ist ein sehr guter Vorschlag, denn spontan fallen mir fast keine Werke ein welche 5 Jahre nach Entstehung noch besonders relevant wären. Und die die Minderheit der Werke die es sind, für deren Urheber kann eine Verlängerung der Schutzfrist als kostenpflichtige Option gewährt werden. Dann liegt es am Urherber abzuschätzen ob sich der Aufwand für ihn lohnt.

    • Es ist eine Stellungnahme zur aktuellen Rechtslage wenn ich das richtig verstehe.

    • Siehe Kapitelüberschrift "Bestandsaufnahme". Es ist kein Vorschlag sondern ein Arbeitsergebnis.

    • Dieses Papier ist der aktuelle Arbeitsstand und ist als Kompromiss aus den bisherigen Verhandlungen herausgegangen. Dadurch finden sich auch beide Sichtweisen in diesem Text.

    • APraetorius:Was Du hier siehst ist kein Vorschlag, sondern das Arbeitspapier, das den momentanen Stand der Projektgruppe zu dem Thema wiedergibt. Wenn Du einen Änderungsvorschlag zu diesem Papier hast, dann erstelle einen Vorschlag, binde unter "Umsetzung" dieses Papier ein und ändere die Stellen, die Du gerne anders hättest. Wenn die Projektgruppe das nächste Mal Tagt, wird sie alle Änderungsvorschläge einbringen (als Meinung des 18.Sachverständigen), die genug Unterstützung erhalten haben.

      • Gilt das nur für Vorschläge oder auch Kommentare? Ich habe einige (redaktionelle) Anmekrungen als Kommentare eingestelllt und würde die nur ungern als Vorschläge erneut einstellen wollen.

        • Du kannst einen Änderungsantrag ableiten, das ist (meines Wissens ;-) ) die richtige Funktion.

  • 1000 ist dagegen
    +1

    Für eine Bestandsaufnahme zur Schutzdauer werden Internationale Regelungen zur Harmonisierung (Zeile 16-22) viel zu knapp aufgeführt. Insbesondere solche mit Bezug zur Rechtsstellung ausserhalb der EU. z.B. TRIPS, WIPO etc. werden ausgespart. Dabei spielt es auch keine Rolle das hierbei viele Punkte aus anderen Konventionen übernommen wurden. So ist die Erläuterung aber IMHO unvollständig und auch irreführend. Insbesondere bei rekursiven Fragen des Urheberrechts durch internationale Abkommen wird es schnell unübersichtlich.

  • Bei der Schutzdauer sollte m. E. getrennt werden zwischen

    1. den sogenannten persönlichkeitsrechtlichen Aspekten und

    2. den Regelungen, die den Zweck haben, den Urhebern materielle Vorteile zu verschaffen.

    Die monistische Verbindung (wie wir sie in Deutschland haben) ist zwar keine singuläre Lösung, aber die Zwecke der Regelungskomplexe lassen eine Trennung ohne Verlust zu. Im deutschen Urheberrecht ist eine Aufspaltung des einheitlichen Urheberrechts auch dergestalt möglich, dass die Nutzungsrechte einem Erwerber übertragen werden, der das Vervielfältigungs- und Verbreitungsrecht unter Ausschluss des Urhebers innehat.

    Weiterhin ist es angesichts der Vielzahl von internationalen Vereinbarungen (Berner Übereinkunft, WIPO, zahlr. bilaterale Verträge) und der EU-Richtlinie 2006/116/EG verlorene Liebesmüh, für Verkürzungen im deutschen Urheberrecht zu plädieren. Die EU-Richtlinie sieht zur Zeit vor: Die Schutzdauer des Urheberrechts an Werken der Literatur und Kunst im Sinne des Artikels 2 der Berner Übereinkunft umfasst das Leben des Urhebers und siebzig Jahre nach seinem Tod, unabhängig von dem Zeitpunkt, zu dem das Werk erlaubterweise der Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden ist.

    Deutsche Alleingänge sind deshalb bei Schutzdauer kaum umsetzbar.

    • Zum letzten Punkt: Die Kommission beschließt ja auch keine "deutschen Alleingänge", sondern gibt Handlungsempfehlungen. Wenn die Kommission den Bundestag nicht auf den (internationalen) Handlungsbedarf hinsichtlich der Schutzdauer hinweist, wer dann? Es hilft ja nichts, irgendein Staat wird wohl den Anfang machen müssen und Verhandlungen zu anderen aufnehmen müssen, um die Schutzdauer international herabzusetzen. Wieso nicht Deutschland?

  • Z. 154ff: "Das geltende Recht trägt solchen Überlegungen Rechnung. Allerdings basiert es auf Gegebenheiten der analogen Welt. Dass mit dem Internet eine leichtere Vervielfältigung und Verbreitung urheberrechtlich geschützter Werke möglich geworden ist, die sich faktisch nicht mehr effektiv kontrollieren lässt, lässt die geltenden Schutzfristen eindeutig als zu lang erscheinen."

    Folgt man der Logik des letzten Satzes, könnten wir das Urheberrecht fast komplett abschaffen, da sich dessen Einhaltung in Zeiten der Digitalisierung kaum mehr kontrollieren lässt. Auch wenn ich der Argumentation des Alternativtextes sonst sehr gut folgen kann, finde ich diesen Teil doch reichlich unausgegoren. Letztlich fehlt eine genaue argumentative Begründung, wieso eine kürze Schutzdauer wünschenswert ist.

  • Z.112ff: "Neben einer Vereinheitlichung der Schutzdauer werden daher auch grundsätzlichere Anpassungen diskutiert. So gibt es beispielsweise unterschiedlich motivierte Überlegungen, Leistungsschutzrechte auszuweiten und die Schutzfristen zu verlängern. Die Auswirkungen dieser Überlegungen werden unterschiedlich beurteilt."

    Welche Anpassungen sind das ganz konkret, die diskutiert werden? Ich gehe mal davon aus, dass dies auch eine Anspielung auf das von Printmedien geforderte Leistungsschutzrecht auf journalistische "Qualitäts"werke sein soll? Wenn ja, wieso wird dieses hier nicht explizit erwähnt? Andererseits: Was hat das mit der Schutzdauer zu tun?

    Falls ich mit meiner Vermutung falsch liegen sollte und dies keine Anspielung ist: Was soll mir dieser Absatz dann überhaupt sagen? Oder folgt eine genauere Erläuterung dann gemäß Arbeitsprogramm im 2. Teil, der "Analyse"?

  • Umfasst der Alternativvorschlag von DIE LINKE den gesamten vorigen Text plus den zusätzlich von ihnen eingebrachten Teil oder nur letzteren?

    Prinzipiell gefällt mir die Herangehensweise des Alternativvorschlages besser, da er die Bedeutung der Schutzdauer mithilfe der Zitate und Referenzen umfassender darstellt. Andererseits gehören die Plädoyers für eine (deutlich) kürze Schutzdauer aus meiner Sicht nicht in die Bestandsaufnahme, sondern eindeutig in die Abteilung der Handlungsempfehlungen. Letztlich wäre ich vermutlich für eine Kombination beider Textvorschläge: Beim Alternativtext fehlt die Angabe zu den unterschiedlichen Schutzdauern bei Urheber- und Leistungsschutzrecht (was eine Harmonisierung sicherlich wünschenswert macht), sowie ein ausführlicher Verweis auf die bestehende EU-Richtlinie.

    Ich denke, ich werde da morgen mal einen Vorschlag erstellen, der beide Texte entsprechend kombiniert.

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