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Filesharing-Abmahnungen & Verbraucher: Neuer §97a III UrhG


Ich setze an dieser Stelle voraus, dass die Thematik "Filesharing-Abmahnung" bekannt ist, ggfs. führe ich dazu aus der Praxis einer Kanzlei, die Betroffene vertritt, gerne später mehr aus.

Ich betrachte es als Problem, dass die "Warnschussfunktion" der Abmahnung in Filesharing-Fällen nicht mehr existiert: Wenn der Anschlussinhaber (hier geht es speziell um Eltern) erstmals eine Abmahnung erhält, versteht dieser auch erstmals die Problematik. Meistens werden die Nutzer (hier: Die Kinder) erst dann halbwegs reglementiert bzw. diese verstehen erst dann das Problem in seinem Ausmaß. Leider aber kommt heutzutage nicht mehr nur eine Abmahnung, sondern meistens direkt mehrere, je nachdem was getauscht wurde ("Chartcontainer") gehen bis zu einem Dutzend Abmahnungen in kürzester Zeit ein.

Um hier einen angemessenen Ausgleich zu schaffen, wäre eine Regelung sinnvoll, die die so genannte "Warnschussfunktion" wieder stärkt. Wenn ein Verbraucher eine urheberrechtliche Abmahnung erhält und danach sein Verhalten umgehend anpasst, sollte das ausreichen. Hierzu kann gesetzlich normiert werden, dass:

"Im Fall einer erstmaligen Abmahnung gegenüber einem Verbraucher gilt mit Abgabe einer mit einer angemessenen Vertragsstrafe bewehrten Unterlassungsverpflichtung durch diesen die Wiederholungsgefahr für sämtliche, bis zum Zeitpunkt der Abgabe begangenen gleichartigen Verletzungshandlungen als beseitigt."

Systematisch sinnvoll wäre das am Platz eines neuesn §97a III UrhG. Damit bestünde für Verbraucher die Möglichkeit, nach einer ersten Abmahnung das Verhalten anzupassen und zwar teuer, aber immer noch mit vertretbaren Kosten und vertretbarem Aufwand "aus der Sache" rauszukommen. Wer dagegen nichts lernt, der ist dem bisher bekannten Abmahn-Modell ausgesetzt.

Kurzer Hinweis: Sollte jemand auf den §97a II UrhG verweisen wollen und dass dieser die Kosten ja schon angemessen deckelt - falsch. Der §97a II UrhG findet mit der Rechtsprechung keine Anwendung auf Filesharing-Fälle.


Diskussionen

  • DominikBoecker ist dafür
    +12

    Ein Ansatzpunkt.

    Eine weitere Baustelle, die das Risiko eines Vorgehens erheblich ausgleicht (die Rechteinhaber klagen so weit ich es überblicke im Wesentlichen nur in HH, K und MUC) wäre eine Klarstellung, dass § 32 ZPO (deliktischer Gerichtsstand = fliegender Gerichtsstand) restriktiver gehandhabt werden muss, als dies die Rechtsprechung bislang macht. Wenn der Kläger da nicht mehr die vollkommen freie Wahl hat, würde sich das Risiko eines gerichtlichen Vorgehens wieder auf die Rechteinhaber verschieben.

    Viele Grüße

    • Ja, auch hier wäre eine "Verbraucher-Regelung" in diesem Sinn angebracht: "Für Klagen aus unerlaubten Handlungen ist das Gericht zuständig, in dessen Bezirk die Handlung begangen ist. Bei Klagen gegen einen Verbraucher wegen eines im Internet begangenen Deliktes ist jedoch das Gericht zuständig, in dessen Bezirk der Verbraucher seinen Wohnsitz begründet".

    • Richtig, Kollege Boecker, das wäre eine weitere wichtige Regelung zugunsten der Betroffenen.

      Sebastian Dosch Rechtsanwalt Fachanwalt für IT-Recht

  • Das Problem liegt darin, dass die Abmahnpraxis ihre Wurzeln im gewerblichen Recht hat. Privatpersonen -- wie ich es einmal nennen will -- waren selten mit Unterlassungsforderungen konfrontiert (etwa bei Beleidigungen, Lärm etc.).

    Im gewerblichen Bereich tendierte die Rechtsprechung im Laufe der Zeit dazu, berechtigte Unterlassungsansprüche immer mehr mit einer Art Privatstrafe (die es eigentlich nicht gibt) zu belegen, indem hohe Rechtsverfolgungskosten (hohe Streitwerte) akzeptiert wurden. Dadurch sollte nicht nur der konkrete Verstoß unterbunden werden, sondern auch vor zukünftigen Verstößen anderer Art abgeschreckt werden (weil hohe hohe Rechtsverfolgungskosten drohten). Sie haben also den Charakter von Privatstrafen, obwohl sie als solche nicht bezeichnet werden dürfen. Inzwischen hat sich hieraus natürlich ein eigener vergleichsweiser lukrativer Geschäftszweig entwickelt.-- für beide Seiten, also die sogenannten Abmahnanwälte und die Vertreter der Abgemahnten.

    Eine Lösung könnte in der Änderung der Rechtsprechung liegen. Den Rechtsinhabern ist eigentlich immer vollständig bekannt, welche Rechte und rechtlichen Möglichkeiten sie haben. Die Einschaltung eines Anwalts bedeutet in der Regel auch keinerlei Entlastung für Rechtsinhaber, sondern erfolgt aus den genannten Gründen. Es wäre meines Erachtens angemessen, wenn die erste anwaltliche Inanspruchnahme nicht von dem Abgemahnten ersetzt werden muss. Dies würde unseren Rechtssystem besser zu Gesicht stehen.

    Schadensersatz (im übrigen) ist eine andere Frage und sollte gesondert betrachtet werden.

  • JPRuehmann ist dagegen
    +4

    Was soll es bringen an diesen Gesetzen herum zu doktorieren?

    Nach meiner Meinung gehört der gesamte Komplex Urheberrecht zumindest in Hinsicht auf Private Personen in Frage gestellt. Und reformiert.

    Die Diskussion hier sehe ich als Basteln an den Auswirkungen anstatt an die Gründe heranzugehen.

    • Das mag im Prinzip richtig sein, daß die Ursache des Problems dadurch nicht behoben wird. Aber wenn die politischen oder rechtlichen Verhältnisse eine Behebung der Ursache verhindern, ist es dann vielleicht nicht besser, wenigstens die Auswirkungen in Grenzen zu halten?

    • Ich weiss nicht, ob es die Lösung ist, 10 Jahre darauf zu warten, ob die Kulturflatrate wirklich kommt - vorher wird das nämlich nichts werden mit dem "Systemwechsel".

  • Ich habe schon etliche Abmahnungen erhalten. Paradebeispiel "marions kochbuch". Dort scheint man sein Geld nicht mit Rezepten, sondern mit Abmahnungen des Ehemannes, der Rechtsanwalt ist, zu verdienen. Schon vor Jahren war im Gespräch kostenpflichtige Abmahnungen zu verbieten oder die Kosten auf € 50 zu begrenzen.

    Ich bin dazu übergegangen alles rauszunehmen, wenn eine Abmahnung kommt, den Text der Abmahnung reinzusetzen und die Klage abzuwarten. Dann ist der Fall in der Hauptsache erledigt und der Grund kommt in der öffentlichen Verhandlung auf den Richtertisch. Darüber wiederum darf berichtet werden. Das ganze ich nicht ganz billig und unbefriedigend.

    Insofern halte ich eine Regelung gegen Abmahnanwälte für dringend erforderlich.

  • bmuenzer ist dafür
    +2

    In § 101 UrhG sollte man Absatz 4 dann wie folgt ergänzen:

    "(4) Die Ansprüche nach den Absätzen 1 und 2 sind ausgeschlossen, wenn die Inanspruchnahme im Einzelfall unverhältnismäßig ist. Dies ist insbesondere dann anzunehmen, wenn § 97a Abs. 3 UrhG anwendbar ist."

  • JanGerth ist dafür
    +2

    Leider ist ein neuer §97 III UrhG wohl notwendig, der sowohl die filesharing-Abmahnungen in den § 97 II UrhG einbezieht, als auch den Gerichtsstand fixiert.

    Der Anmerkung des Kollegen Dosch ist zuzustimmen, dass es nicht nur Verbraucher trifft. Denn Firmeninhaber, Hotels und Ferienhausvermieter können ebenfalls betroffen werden ohne hiervon Kenntnis zu haben.

    Jan Gerth, Rechtsanwalt, Fachanwalt für IT-Recht

  • jensb ist dafür
    +2

    Als weiterer Denkanstoss in diesem Zusammenhang:

    Wir wäre es, nicht (nur) zwischen Verbraucher/Unternehmen bzw. inner-/ausserhalb des geschäftlichen Verkehrs zu unterscheiden, sondern dahin ob der Anspruchsgegner lediglich sog. Störer ist, etwa:

    "Ist der Inanspruchgenommene weder Täter noch Teilnehmer der unerlaubten Handlung, derentwegen er (auf Unterlassung oder Beseitigung) in Anspruch genommen wird, so..."

  • bmuenzer ist dafür
    +2

    Nur eine kleine Anmerkung: Der Begriff "Verbraucher" kommt bisher nicht im UrhG vor. § 13 BGB kennt Verbraucher nur im Rahmen von Rechtsgeschäften; § 97a UrhG behandelt aber unerlaubte Handlungen.

    Ich schlage deswegen folgende Formulierung vor, die sich an §97a II UrhG orientiert:

    "Im Fall einer erstmaligen Abmahnung für eine außerhalb des geschäftlichen Verkehrs begangene Verletzungshandlung gilt mit Abgabe einer mit einer angemessenen Vertragsstrafe bewehrten Unterlassungsverpflichtung die Wiederholungsgefahr für sämtliche bis zum Zeitpunkt der Abgabe begangenen gleichartigen Verletzungshandlungen des Verletzers als beseitigt."

    • ...dann haben wir aber wieder die Formulierung "außerhalb des geschäftlichen Verkehrs" - und damit wieder die Diskussion, dass das ja auf keinen Fall anwendbar sei beim Filesharing, denn da wird der Musiktitel, der Film, das Album und das Hörbuch ja gleichzeitig Millionen von Leuten angeboten usw.

      Ich hatte weiter unten ja schon eine Anmerkung zum Thema Verbraucher gemacht, auf die ich hier verweisen möchte: http://urheberrecht.enquetebeteiligung.de/comment/1022

      • Beziehst Du Dich hier auf Entscheidungen wie die des OLG Köln vom 9.2.2009 (Az: 6 W 182/08)?

        Das bejahte für Filesharing zwar das "gewerbliche Ausmaß" aus § 101 UrhG, nicht aber die Verletzung im geschäftlichen Verkehr.

        AFAIK scheiterte die Anwendung von § 97a II UrhG in Filesharingfällen regelmäßig nicht daran, dass geschäftlicher Verkehr angenommen wurde, sondern daran, dass die Verletzung nicht als unerheblich bzw. der Fall nicht als einfach gelagert dargelegt wurde.

  • SV_Rider ist dafür
    +1

    dafür

  • jan ist dagegen
    +1

    Ich finde, das Abmahnunwesen gehört vielmehr über das Strafrecht behandelt - rechtsmissbräuchliche Abmahnungen, d.h. solche, bei denen höhere Kosten berechnet werden als anfallen/berechtigt sind, müssen zum Entzug der Anwaltszulassung und (da gewerbsmäßiger Betrug in unzähligen Fällen!) zu spürbaren (>2 Jahre) Haftstrafen für die Verantwortlichen (Anwälte und Auftraggeber) führen.

  • kLAWtext ist dafür
    +1

    komisch - ich habe abgestimmt, aber die Anzahl der Stimmen erhöht sich nicht. Im Ereignisprotokoll wird meine Abstimmung aber sichtbar (mehrfach, weil ich an einen Scriptfehler aufgrund des Einsatzes eines Scripte-Blockers glaubte).

    Also: Ich bin grundsätzlich dafür.

  • kLAWtext ist dafür
    +1

    Ich halte diesen Vorschlag für sinnvoll und gut, hätte aber noch folgende Anmerkungen:

    Das Problem ist, dass für diese erstmalige Abmahnung ebenfalls bereits erhebliche Gebühren entstanden sein können - jedenfalls in der Regel gefordert werden. Es wäre anzudenken, auf § 97a II UrhG zu verweisen und klarzustellen, dass dieser auch für den Fall der erstmaligen Filesharing-Abmahnung gilt.

    Zum zweiten wäre zu diskutieren, ob nur Verbraucher in den Genuss dieser Regelung kommen sollen. Denn auch Gewerbetreibende werden - beispielsweise für die Verstöße ihrer Mitarbeiter - abgemahnt. Sie - insbesondere kleine und mittelgroße Betriebe - sind häufig in einer ähnlichen Lage wie Verbraucher und werden ähnlich hart von entsprechenden Abmahnungen getroffen.

    Sebastian Dosch Rechtsanwalt Fachanwalt für IT-Recht

    • "Es wäre anzudenken, auf § 97a II UrhG zu verweisen und klarzustellen, dass dieser auch für den Fall der erstmaligen Filesharing-Abmahnung gilt."

      Sie werden es kaum glauben: Meine ursprünglich schriftliche Anregung an einige Politiker sieht genau das auch vor. Ich wollte es hier nur nicht in die Länge treiben ;)

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