Papier: 1.04 (Wert von Kreativität)
Originalversion
1 | Volkswirtschaftliche Bedeutung der Kreativwirtschaft |
2 | |
3 | |
4 | Die wirtschaftliche Betrachtung des grundsätzlichen Wertes |
5 | der Kreativwirtschaft für die Volkswirtschaft führt zunächst |
6 | auf europäischer Ebene zu dem unlängst veröffentlichten |
7 | Grünbuch der EU-Kommission zur „Erschließung des Potenzials |
8 | der Kultur- und Kreativindustrien“ [Fußtnote: KOM (2010) |
9 | 183/3.]. Hieraus lässt sich sehr gut die Bedeutung dieses |
10 | Wirtschaftssegments für die Volkswirtschaft in Europa |
11 | ablesen. Auch auf nationaler Ebene wurde die Bedeutung der |
12 | Kultur- und Kreativwirtschaft in der gleichnamigen |
13 | Initiative der Bundesregierung ausführlich untersucht. Hier |
14 | kam der Abschlussbericht [Fußnote: Beschlussempfehlung und |
15 | Bericht des Ausschusses für Kultur und Medien, BT-Drucks. |
16 | 17/2941] zu dem Schluss, dass im Jahre 2006 der Anteil der |
17 | Kultur- und Kreativwirtschaft 2,6 % des deutschen BIP |
18 | ausgemacht hat. Auf das wechselseitige Verhältnis von Kultur |
19 | und Wirtschaft ist bereits der Deutsche Bundestag in der |
20 | Enquete Kommission „Kultur in Deutschland“ eingegangen. |
21 | |
22 | Dem im Juli 2010 vom Bundesminister für Wirtschaft und |
23 | Technologie vorgestellten Monitoringbericht zufolge hat sich |
24 | die Zahl der Erwerbstätigen im Kulturbereich in den letzten |
25 | Jahren kontinuierlich erhöht und mittlerweile die |
26 | Millionenmarke überschritten. Der Umsatz der Branche erhöhte |
27 | sich im selben Zeitraum von 117 auf über 131 Mrd. Euro, was |
28 | einem Wachstum von 12,3 % und durchschnittlichen 1,9 % |
29 | jährlich entspricht. Selbst die Wirtschaftskrise konnte der |
30 | Kultur- und Kreativwirtschaft nur wenig anhaben: Auch ihr |
31 | Umsatz ging zwar von 2008 auf 2009 zurück, jedoch nur um 3,5 |
32 | %, während die Gesamtwirtschaft im selben Zeitraum 8,5 % |
33 | einbüßte. Im Jahr 2009 lag der Umsatzanteil der Kultur- und |
34 | Kreativwirtschaft an der Gesamtwirtschaft bei 2,7 % und |
35 | damit über dem der Chemieindustrie. Anders als etwa bei der |
36 | Autoindustrie, wo 97 % des Umsatzes von einer Handvoll |
37 | Großunternehmen erzielt werden, zeichnen bei den |
38 | Kreativschaffenden die Kleinunternehmer im Sinne der |
39 | EU-Definition (bis zu 10 Millionen Euro Umsatz im Jahr) für |
40 | einen Großteil des Branchenumsatzes verantwortlich: 43 % |
41 | beispielsweise im Jahr 2008, während Unternehmen mit |
42 | mindestens 50 Millionen Euro Umsatz im selben Jahr auf 41 % |
43 | kommen. Die Zahlen zeigen, dass Kreativität ein immer |
44 | bedeutenderer Wirtschaftsmotor ist. |
45 | |
46 | Der Kultur- und Kreativwirtschaft kommt in der digitalen |
47 | Welt nicht lediglich eine dienende Funktion zu, vielmehr |
48 | trägt sie eigenständig zu maßgeblicher Wertschöpfung bei. Es |
49 | sind vielfach auch die attraktiven Inhalte, die Netze |
50 | interessant machen und damit letztlich zum wirtschaftlichen |
51 | Erfolg der IKT-Branche beitragen. So fördern kreative |
52 | Inhalte und moderne Kommunikations- und |
53 | Unterhaltungstechnologie wechselseitig die Generierung von |
54 | Umsätzen. Jüngst wurde in der IKT-Strategie der |
55 | Bundesregierung „Deutschland Digital 2015“ unterstrichen, |
56 | dass Maßnahmen zur Förderung des gesellschaftlichen |
57 | Verständnisses für die Bedeutung des kreativen |
58 | Schaffensprozesses, des geistigen Eigentums [Fußnote: Zum |
59 | Begriff und seinen Konnotationen s.o.] und seines |
60 | kulturellen sowie wirtschaftlichen Wertes ergriffen werden |
61 | sollen. |
62 | |
63 | Bedeutung der Kreativwirtschaft für die Kreativität |
64 | |
65 | |
66 | Kreativität hat einen über die Wirtschaftssphäre |
67 | hinausgehenden gesellschaftlichen Wert. Bei der Abwägung |
68 | muss differenziert werden: Der wirtschaftsökonomische Wert |
69 | im Sinne eines Beitrags der Kreativwirtschaft zum |
70 | Bruttosozialprodukt darf nicht mit dem volkswirtschaftlichen |
71 | Wert kreativen Schaffens für die Kommunikationsgesellschaft |
72 | verwechselt werden. Der Tauschwert von Wissensgütern sollte |
73 | nicht mit dem idealistischen Wert des Immaterialguts |
74 | ("geistiges Eigentum") eines Urhebers, dem ästhetischen Wert |
75 | künstlerischer Erzeugnisse oder der künstlerischen Leistung |
76 | als solcher verwechselt werden. |
77 | Weniger eindeutig als die volkswirtschaftliche Bedeutung der |
78 | Kreativwirtschaft ist die Rolle der unterschiedlichen |
79 | wirtschaftlichen Akteure für das Hervorbringen von |
80 | Kreativität. Auch im digitalen Zeitalter sind zumeist |
81 | Investitionen notwendig, um die Entstehung von Werken zu |
82 | befördern und dem jeweiligen Werk zum Markterfolg zu |
83 | verhelfen. Zu diesen Investitionen gehören nicht nur |
84 | finanzielle Mittel sondern auch Know-How. Unbekannte |
85 | Künstler ohne finanzielle Unterstützung oder entsprechende |
86 | Partnerschaften werden derzeit nur selten so erfolgreich, |
87 | dass sie von den Einnahmen leben können. Es ist auch heute |
88 | in der Regel noch das Engagement eines Verwerters nötig, um |
89 | eine professionelle kreative Betätigung zu ermöglichen. |
90 | Alternative Modelle wie „Crowdfunding“ (freiwillige |
91 | Zahlungen von Fans) sind jedenfalls bislang nicht etabliert; |
92 | ihr Potential wird unterschiedlich eingeschätzt. Jedenfalls |
93 | steht fest, dass professionelle Produktion von kreativen |
94 | Inhalten wegen der dem Produkt eigenen Unsicherheit über den |
95 | Erfolg eines Systems der Risikofinanzierung bedarf, für das |
96 | derzeit vor allem die Verwerter einstehen. |
97 | Dies bedeutet keineswegs, dass nicht auch jenseits der |
98 | Kreativwirtschaft im Internet zunehmend kreative Leistungen |
99 | erbracht werden. Auch werden gerade im digitalen Bereich |
100 | viele neue Konstellationen abseits der klassischen |
101 | Verwertungsmodelle erprobt. Solch neuartige Ansätze von |
102 | Werkverwertungen sind in die Diskussion um die künftige |
103 | Gestaltung der Immaterialgüterrechte einzubeziehen. |
104 | |
105 | Wandel kreativer Leistung und ihrer Wertschätzung |
106 | |
107 | |
108 | Neben originäre künstlerische oder sonstige kreative |
109 | Produktion ist mit den Möglichkeiten der digitalen Technik |
110 | zunehmend auch die Bearbeitung und anschließende |
111 | Neuveröffentlichung vorhandenen Materials getreten. Auf |
112 | diese Weise ist in den letzten Jahren eine blühende Kultur |
113 | von Remixes und Mash-ups entstanden. Musikstücke und Filme |
114 | werden neu zusammengeschnitten, einzelne Werke werden |
115 | miteinander und über mediale Grenzen hinweg neu kombiniert. |
116 | Künstlerische Möglichkeiten, wie sie in den zwanziger Jahren |
117 | des 20. Jahrhunderts die klassische Moderne für sich |
118 | entdeckte, sind damit zu einem Teil der Populärkultur |
119 | avanciert. Nicht zuletzt haben dabei die satirischen und |
120 | kritischen Spielarten von Collage und Montage eine |
121 | Renaissance erlebt. Nicht nur die Produktion, auch die |
122 | Distribution kreativer Inhalte ist im Wandel begriffen. Das |
123 | Internet ermöglicht eine nahezu kostenlose Vervielfältigung |
124 | und Verbreitung selbsterstellter digitaler Inhalte. Je mehr |
125 | Produktion, Distribution und Rezeption zusammenfallen, wie |
126 | es für das nicht-kommerzielle kreative Schaffen |
127 | charakteristisch ist, desto mehr wandelt sich der Charakter |
128 | des künstlerischen Schaffens selbst. Solche Tendenzen sind |
129 | nicht adäquat erfasst, betrachtet man sie lediglich als |
130 | Versuche von Laien, mit professionellen Künstlern in |
131 | Konkurrenz treten zu wollen. Vielmehr können die Produkte |
132 | jener Kreativität im Kontext ihrer massenhaften Verbreitung |
133 | selbst zum Mittel von Kommunikation werden (z.B. |
134 | Videoantworten bei YouTube). |
135 | |
136 | Je mehr die Referenz auf andere Werke Gegenstand neuer |
137 | kreativer Leistungen wird, desto mehr kann das |
138 | Verwertungsrecht im Hinblick auf die Kreativität |
139 | einschränkend wirken, wenn die Leistung der Allgemeinheit |
140 | dadurch nicht mehr zur Verfügung steht. Es ist eine |
141 | Voraussetzung für die wirtschaftliche Nutzung des |
142 | Ursprungswerkes und damit für die Investition in neue |
143 | Schöpfungen, kann aber auch zugleich die kreative Bezugnahme |
144 | auf vorhandene Werke behindern. |
145 | Mit diesen Entwicklungen scheint auch eine Veränderung der |
146 | Haltung zum Immaterialgüterrecht einherzugehen, die aber |
147 | auch durch andere Vorgänge unterstützt wird. Als das |
148 | Internet der breiten Masse zugänglich wurde, wurde durch |
149 | Computerindustrie und Provider in deren Werbung für ihre |
150 | Produkte suggeriert, Inhalte stünden im Internet kostenlos |
151 | zur Verfügung. Der Kauf der Hardware berechtigte scheinbar |
152 | dazu, alle Inhalte unentgeltlich nutzen zu können. Ein |
153 | Ausdruck der Wertschätzung erschien nicht notwendig. |
154 | Da die Verwerter das Netz zunächst nicht als relevanten |
155 | Absatzmarkt betrachteten, stellten zahlreiche |
156 | Inhalteanbieter von Anfang an viele Inhalte kostenlos zur |
157 | Verfügung. |
158 | |
159 | Darüber hinaus gab es nicht von Anfang an die Möglichkeit, |
160 | im Netz mit einem Äquivalent von Bargeld zu bezahlen, daher |
161 | konnten sich bis heute nur wenige Geschäftsmodelle für |
162 | bezahlte Inhalte entwickeln. Meist stellte die |
163 | Kreativwirtschaft Inhalte kostenlos zur Verfügung und |
164 | finanzierte dies durch Werbung o.ä.. Hinzu kamen |
165 | Tauschbörsen, auf denen für den Teilnehmer oft nicht |
166 | erkennbar ist, ob die zum Kopieren zur Verfügung gestellten |
167 | Inhalte urheberrechtlich geschützt sind. Die Menschen, die |
168 | sich mit der neuen Netz-Welt vertraut machten, nahmen an, |
169 | dass zwar für den Zugang zum Netz, nicht aber für den Zugang |
170 | zu Inhalten bezahlt werden musste. Da beim Kopiervorgang die |
171 | Ursprungsdatei erhalten bleibt, fallen das Erzeugen und |
172 | Begründen eines Unrechtsbewusstseins und die |
173 | Vergleichbarkeit mit dem Diebstahl materieller Gegenstände |
174 | schwer. Kommerzielle legale Download-Angebote waren zudem |
175 | meist kompliziert, während Tauschbörsen über eine große |
176 | Nutzerfreundlichkeit verfügten und somit immer mehr Zulauf |
177 | erhielten. Hier, wie bei der Abspielbarkeit (Ländercode, |
178 | Kompatibilität mit freier Software) gekaufter DVDs, |
179 | versäumte es die Kreativindustrie, attraktive Angebote zu |
180 | machen und setzte stattdessen verstärkt auf die Verfolgung |
181 | und Kriminalisierung sogenannter „Raubkopierer“. |
182 | |
183 | Diese Überlegungen verweisen auf die Bedeutung der sozialen |
184 | Normen im Bereich der Immaterialgüter. Gerade im Internet |
185 | kann olitik nicht davon setzen, dass die Regeln des |
186 | Immaterialgüterrechts grundsätzlich akzeptiert und durch |
187 | soziale Regeln faktisch von selbst durch gesetzt werden. |
Der Text verglichen mit der Originalversion
1 | Volkswirtschaftliche Bedeutung der Kreativwirtschaft |
2 | |
3 | |
4 | Die wirtschaftliche Betrachtung des grundsätzlichen Wertes |
5 | der Kreativwirtschaft für die Volkswirtschaft führt zunächst |
6 | auf europäischer Ebene zu dem unlängst veröffentlichten |
7 | Grünbuch der EU-Kommission zur „Erschließung des Potenzials |
8 | der Kultur- und Kreativindustrien“ [Fußtnote: KOM (2010) |
9 | 183/3.]. Hieraus lässt sich sehr gut die Bedeutung dieses |
10 | Wirtschaftssegments für die Volkswirtschaft in Europa |
11 | ablesen. Auch auf nationaler Ebene wurde die Bedeutung der |
12 | Kultur- und Kreativwirtschaft in der gleichnamigen |
13 | Initiative der Bundesregierung ausführlich untersucht. Hier |
14 | kam der Abschlussbericht [Fußnote: Beschlussempfehlung und |
15 | Bericht des Ausschusses für Kultur und Medien, BT-Drucks. |
16 | 17/2941] zu dem Schluss, dass im Jahre 2006 der Anteil der |
17 | Kultur- und Kreativwirtschaft 2,6 % des deutschen BIP |
18 | ausgemacht hat. Auf das wechselseitige Verhältnis von Kultur |
19 | und Wirtschaft ist bereits der Deutsche Bundestag in der |
20 | Enquete Kommission „Kultur in Deutschland“ eingegangen. |
21 | |
22 | Dem im Juli 2010 vom Bundesminister für Wirtschaft und |
23 | Technologie vorgestellten Monitoringbericht zufolge hat sich |
24 | die Zahl der Erwerbstätigen im Kulturbereich in den letzten |
25 | Jahren kontinuierlich erhöht und mittlerweile die |
26 | Millionenmarke überschritten. Der Umsatz der Branche erhöhte |
27 | sich im selben Zeitraum von 117 auf über 131 Mrd. Euro, was |
28 | einem Wachstum von 12,3 % und durchschnittlichen 1,9 % |
29 | jährlich entspricht. Selbst die Wirtschaftskrise konnte der |
30 | Kultur- und Kreativwirtschaft nur wenig anhaben: Auch ihr |
31 | Umsatz ging zwar von 2008 auf 2009 zurück, jedoch nur um 3,5 |
32 | %, während die Gesamtwirtschaft im selben Zeitraum 8,5 % |
33 | einbüßte. Im Jahr 2009 lag der Umsatzanteil der Kultur- und |
34 | Kreativwirtschaft an der Gesamtwirtschaft bei 2,7 % und |
35 | damit über dem der Chemieindustrie. Anders als etwa bei der |
36 | Autoindustrie, wo 97 % des Umsatzes von einer Handvoll |
37 | Großunternehmen erzielt werden, zeichnen bei den |
38 | Kreativschaffenden die Kleinunternehmer im Sinne der |
39 | EU-Definition (bis zu 10 Millionen Euro Umsatz im Jahr) für |
40 | einen Großteil des Branchenumsatzes verantwortlich: 43 % |
41 | beispielsweise im Jahr 2008, während Unternehmen mit |
42 | mindestens 50 Millionen Euro Umsatz im selben Jahr auf 41 % |
43 | kommen. Die Zahlen zeigen, dass Kreativität ein immer |
44 | bedeutenderer Wirtschaftsmotor ist. |
45 | |
46 | Der Kultur- und Kreativwirtschaft kommt in der digitalen |
47 | Welt nicht lediglich eine dienende Funktion zu, vielmehr |
48 | trägt sie eigenständig zu maßgeblicher Wertschöpfung bei. Es |
49 | sind vielfach auch die attraktiven Inhalte, die Netze |
50 | interessant machen und damit letztlich zum wirtschaftlichen |
51 | Erfolg der IKT-Branche beitragen. So fördern kreative |
52 | Inhalte und moderne Kommunikations- und |
53 | Unterhaltungstechnologie wechselseitig die Generierung von |
54 | Umsätzen. Jüngst wurde in der IKT-Strategie der |
55 | Bundesregierung „Deutschland Digital 2015“ unterstrichen, |
56 | dass Maßnahmen zur Förderung des gesellschaftlichen |
57 | Verständnisses für die Bedeutung des kreativen |
58 | Schaffensprozesses, des geistigen Eigentums [Fußnote: Zum |
59 | Begriff und seinen Konnotationen s.o.] und seines |
60 | kulturellen sowie wirtschaftlichen Wertes ergriffen werden |
61 | sollen. |
62 | |
63 | Bedeutung der Kreativwirtschaft für die Kreativität |
64 | |
65 | |
66 | Kreativität hat einen über die Wirtschaftssphäre |
67 | hinausgehenden gesellschaftlichen Wert. Bei der Abwägung |
68 | muss differenziert werden: Der wirtschaftsökonomische Wert |
69 | im Sinne eines Beitrags der Kreativwirtschaft zum |
70 | Bruttosozialprodukt darf nicht mit dem volkswirtschaftlichen |
71 | Wert kreativen Schaffens für die Kommunikationsgesellschaft |
72 | verwechselt werden. Der Tauschwert von Wissensgütern sollte |
73 | nicht mit dem idealistischen Wert des Immaterialguts |
74 | ("geistiges Eigentum") eines Urhebers, dem ästhetischen Wert |
75 | künstlerischer Erzeugnisse oder der künstlerischen Leistung |
76 | als solcher verwechselt werden. |
77 | Weniger eindeutig als die volkswirtschaftliche Bedeutung der |
78 | Kreativwirtschaft ist die Rolle der unterschiedlichen |
79 | wirtschaftlichen Akteure für das Hervorbringen von |
80 | Kreativität. Auch im digitalen Zeitalter sind zumeist |
81 | Investitionen notwendig, um die Entstehung von Werken zu |
82 | befördern und dem jeweiligen Werk zum Markterfolg zu |
83 | verhelfen. Zu diesen Investitionen gehören nicht nur |
84 | finanzielle Mittel sondern auch Know-How. Unbekannte |
85 | Künstler ohne finanzielle Unterstützung oder entsprechende |
86 | Partnerschaften werden derzeit nur selten so erfolgreich, |
87 | dass sie von den Einnahmen leben können. Es ist auch heute |
88 | in der Regel noch das Engagement eines Verwerters nötig, um |
89 | eine professionelle kreative Betätigung zu ermöglichen. |
90 | Alternative Modelle wie „Crowdfunding“ (freiwillige |
91 | Zahlungen von Fans) sind jedenfalls bislang nicht etabliert; |
92 | ihr Potential wird unterschiedlich eingeschätzt. Jedenfalls |
93 | steht fest, dass professionelle Produktion von kreativen |
94 | Inhalten wegen der dem Produkt eigenen Unsicherheit über den |
95 | Erfolg eines Systems der Risikofinanzierung bedarf, für das |
96 | derzeit vor allem die Verwerter einstehen. |
97 | Dies bedeutet keineswegs, dass nicht auch jenseits der |
98 | Kreativwirtschaft im Internet zunehmend kreative Leistungen |
99 | erbracht werden. Auch werden gerade im digitalen Bereich |
100 | viele neue Konstellationen abseits der klassischen |
101 | Verwertungsmodelle erprobt. Solch neuartige Ansätze von |
102 | Werkverwertungen sind in die Diskussion um die künftige |
103 | Gestaltung der Immaterialgüterrechte einzubeziehen. |
104 | |
105 | Wandel kreativer Leistung und ihrer Wertschätzung |
106 | |
107 | |
108 | Neben originäre künstlerische oder sonstige kreative |
109 | Produktion ist mit den Möglichkeiten der digitalen Technik |
110 | zunehmend auch die Bearbeitung und anschließende |
111 | Neuveröffentlichung vorhandenen Materials getreten. Auf |
112 | diese Weise ist in den letzten Jahren eine blühende Kultur |
113 | von Remixes und Mash-ups entstanden. Musikstücke und Filme |
114 | werden neu zusammengeschnitten, einzelne Werke werden |
115 | miteinander und über mediale Grenzen hinweg neu kombiniert. |
116 | Künstlerische Möglichkeiten, wie sie in den zwanziger Jahren |
117 | des 20. Jahrhunderts die klassische Moderne für sich |
118 | entdeckte, sind damit zu einem Teil der Populärkultur |
119 | avanciert. Nicht zuletzt haben dabei die satirischen und |
120 | kritischen Spielarten von Collage und Montage eine |
121 | Renaissance erlebt. Nicht nur die Produktion, auch die |
122 | Distribution kreativer Inhalte ist im Wandel begriffen. Das |
123 | Internet ermöglicht eine nahezu kostenlose Vervielfältigung |
124 | und Verbreitung selbsterstellter digitaler Inhalte. Je mehr |
125 | Produktion, Distribution und Rezeption zusammenfallen, wie |
126 | es für das nicht-kommerzielle kreative Schaffen |
127 | charakteristisch ist, desto mehr wandelt sich der Charakter |
128 | des künstlerischen Schaffens selbst. Solche Tendenzen sind |
129 | nicht adäquat erfasst, betrachtet man sie lediglich als |
130 | Versuche von Laien, mit professionellen Künstlern in |
131 | Konkurrenz treten zu wollen. Vielmehr können die Produkte |
132 | jener Kreativität im Kontext ihrer massenhaften Verbreitung |
133 | selbst zum Mittel von Kommunikation werden (z.B. |
134 | Videoantworten bei YouTube). |
135 | |
136 | Je mehr die Referenz auf andere Werke Gegenstand neuer |
137 | kreativer Leistungen wird, desto mehr kann das |
138 | Verwertungsrecht im Hinblick auf die Kreativität |
139 | einschränkend wirken, wenn die Leistung der Allgemeinheit |
140 | dadurch nicht mehr zur Verfügung steht. Es ist eine |
141 | Voraussetzung für die wirtschaftliche Nutzung des |
142 | Ursprungswerkes und damit für die Investition in neue |
143 | Schöpfungen, kann aber auch zugleich die kreative Bezugnahme |
144 | auf vorhandene Werke behindern. |
145 | Mit diesen Entwicklungen scheint auch eine Veränderung der |
146 | Haltung zum Immaterialgüterrecht einherzugehen, die aber |
147 | auch durch andere Vorgänge unterstützt wird. Als das |
148 | Internet der breiten Masse zugänglich wurde, wurde durch |
149 | Computerindustrie und Provider in deren Werbung für ihre |
150 | Produkte suggeriert, Inhalte stünden im Internet kostenlos |
151 | zur Verfügung. Der Kauf der Hardware berechtigte scheinbar |
152 | dazu, alle Inhalte unentgeltlich nutzen zu können. Ein |
153 | Ausdruck der Wertschätzung erschien nicht notwendig. |
154 | Da die Verwerter das Netz zunächst nicht als relevanten |
155 | Absatzmarkt betrachteten, stellten zahlreiche |
156 | Inhalteanbieter von Anfang an viele Inhalte kostenlos zur |
157 | Verfügung. |
158 | |
159 | Darüber hinaus gab es nicht von Anfang an die Möglichkeit, |
160 | im Netz mit einem Äquivalent von Bargeld zu bezahlen, daher |
161 | konnten sich bis heute nur wenige Geschäftsmodelle für |
162 | bezahlte Inhalte entwickeln. Meist stellte die |
163 | Kreativwirtschaft Inhalte kostenlos zur Verfügung und |
164 | finanzierte dies durch Werbung o.ä.. Hinzu kamen |
165 | Tauschbörsen, auf denen für den Teilnehmer oft nicht |
166 | erkennbar ist, ob die zum Kopieren zur Verfügung gestellten |
167 | Inhalte urheberrechtlich geschützt sind. Die Menschen, die |
168 | sich mit der neuen Netz-Welt vertraut machten, nahmen an, |
169 | dass zwar für den Zugang zum Netz, nicht aber für den Zugang |
170 | zu Inhalten bezahlt werden musste. Da beim Kopiervorgang die |
171 | Ursprungsdatei erhalten bleibt, fallen das Erzeugen und |
172 | Begründen eines Unrechtsbewusstseins und die |
173 | Vergleichbarkeit mit dem Diebstahl materieller Gegenstände |
174 | schwer. Kommerzielle legale Download-Angebote waren zudem |
175 | meist kompliziert, während Tauschbörsen über eine große |
176 | Nutzerfreundlichkeit verfügten und somit immer mehr Zulauf |
177 | erhielten. Hier, wie bei der Abspielbarkeit (Ländercode, |
178 | Kompatibilität mit freier Software) gekaufter DVDs, |
179 | versäumte es die Kreativindustrie, attraktive Angebote zu |
180 | machen und setzte stattdessen verstärkt auf die Verfolgung |
181 | und Kriminalisierung sogenannter „Raubkopierer“. |
182 | |
183 | Diese Überlegungen verweisen auf die Bedeutung der sozialen |
184 | Normen im Bereich der Immaterialgüter. Gerade im Internet |
185 | kann olitik nicht davon setzen, dass die Regeln des |
186 | Immaterialgüterrechts grundsätzlich akzeptiert und durch |
187 | soziale Regeln faktisch von selbst durch gesetzt werden. |
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