1.04 (Wert von Kreativität)

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    1 Wert und Wertschätzung von Kreativität in der digitalen Welt
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    1 Volkswirtschaftliche Bedeutung der Kreativwirtschaft
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    4 Die wirtschaftliche Betrachtung des grundsätzlichen Wertes
    5 der Kreativwirtschaft für die Volkswirtschaft führt
    6 zunächst auf europäischer Ebene zu dem unlängst
    7 veröffentlichten Grünbuch der EU-Kommission zur
    8 „Erschließung des Potenzials der Kultur- und
    9 Kreativindustrien“ [Fußtnote: KOM (2010) 183/3.]. Hieraus
    10 lässt sich sehr gut die Bedeutung dieses
    11 Wirtschaftssegments für die Volkswirtschaft in Europa
    12 ablesen. Auch auf nationaler Ebene wurde die Bedeutung der
    13 Kultur- und Kreativwirtschaft in der gleichnamigen
    14 Initiative der Bundesregierung ausführlich untersucht. Hier
    15 kam der Abschlussbericht [Fußnote: Beschlussempfehlung und
    16 Bericht des Ausschusses für Kultur und Medien, BT-Drucks.
    17 17/2941] zu dem Schluss, dass im Jahre 2006 der Anteil der
    18 Kultur- und Kreativwirtschaft 2,6 % des deutschen BIP
    19 ausgemacht hat. Auf das wechselseitige Verhältnis von
    20 Kultur und Wirtschaft ist bereits der Deutsche Bundestag in
    21 der Enquete Kommission „Kultur in Deutschland“ eingegangen.
    22
    23 Dem im Juli 2010 vom Bundesminister für Wirtschaft und
    24 Technologie vorgestellten Monitoringbericht zufolge hat
    25 sich die Zahl der Erwerbstätigen im Kulturbereich in den
    26 letzten Jahren kontinuierlich erhöht und mittlerweile die
    27 Millionenmarke überschritten. Der Umsatz der Branche
    28 erhöhte sich im selben Zeitraum von 117 auf über 131 Mrd.
    29 Euro, was einem Wachstum von 12,3 % und durchschnittlichen
    30 1,9 % jährlich entspricht. Selbst die Wirtschaftskrise
    31 konnte der Kultur- und Kreativwirtschaft nur wenig anhaben:
    32 Auch ihr Umsatz ging zwar von 2008 auf 2009 zurück, jedoch
    33 nur um 3,5 %, während die Gesamtwirtschaft im selben
    34 Zeitraum 8,5 % einbüßte. Im Jahr 2009 lag der Umsatzanteil
    35 der Kultur- und Kreativwirtschaft an der Gesamtwirtschaft
    36 bei 2,7 % und damit über dem der Chemieindustrie. Anders
    37 als etwa bei der Autoindustrie, wo 97 % des Umsatzes von
    38 einer Handvoll Großunternehmen erzielt werden, zeichnen bei
    39 den Kreativschaffenden die Kleinunternehmer im Sinne der
    40 EU-Definition (bis zu 10 Millionen Euro Umsatz im Jahr) für
    41 einen Großteil des Branchenumsatzes verantwortlich: 43 %
    42 beispielsweise im Jahr 2008, während Unternehmen mit
    43 mindestens 50 Millionen Euro Umsatz im selben Jahr auf 41 %
    44 kommen. Die Zahlen zeigen, dass Kreativität ein immer
    45 bedeutenderer Wirtschaftsmotor ist.
    46
    47 Der Kultur- und Kreativwirtschaft kommt in der digitalen
    48 Welt nicht lediglich eine dienende Funktion zu, vielmehr
    49 trägt sie eigenständig zu maßgeblicher Wertschöpfung bei.
    50 Es sind vielfach auch die attraktiven Inhalte, die Netze
    51 interessant machen und damit letztlich zum wirtschaftlichen
    52 Erfolg der IKT-Branche beitragen. So fördern kreative
    53 Inhalte und moderne Kommunikations- und
    54 Unterhaltungstechnologie wechselseitig die Generierung von
    55 Umsätzen. Jüngst wurde in der IKT-Strategie der
    56 Bundesregierung „Deutschland Digital 2015“ unterstrichen,
    57 dass Maßnahmen zur Förderung des gesellschaftlichen
    58 Verständnisses für die Bedeutung des kreativen
    59 Schaffensprozesses, des geistigen Eigentums [Fußnote: Zum
    60 Begriff und seinen Konnotationen s.o.] und seines
    61 kulturellen sowie wirtschaftlichen Wertes ergriffen werden
    62 sollen.
    63
    64 Bedeutung der Kreativwirtschaft für die Kreativität
    65
    66
    67 Kreativität hat einen über die Wirtschaftssphäre
    68 hinausgehenden gesellschaftlichen Wert. Bei der Abwägung
    69 muss differenziert werden: Der wirtschaftsökonomische Wert
    70 im Sinne eines Beitrags der Kreativwirtschaft zum
    71 Bruttosozialprodukt darf nicht mit dem
    72 volkswirtschaftlichen Wert kreativen Schaffens für die
    73 Kommunikationsgesellschaft verwechselt werden. Der
    74 Tauschwert von Wissensgütern sollte nicht mit dem
    75 idealistischen Wert des Immaterialguts ("geistiges
    76 Eigentum") eines Urhebers, dem ästhetischen Wert
    77 künstlerischer Erzeugnisse oder der künstlerischen Leistung
    78 als solcher verwechselt werden.
    79 Weniger eindeutig als die volkswirtschaftliche Bedeutung
    80 der Kreativwirtschaft ist die Rolle der unterschiedlichen
    81 wirtschaftlichen Akteure für das Hervorbringen von
    82 Kreativität. Auch im digitalen Zeitalter sind zumeist
    83 Investitionen notwendig, um die Entstehung von Werken zu
    84 befördern und dem jeweiligen Werk zum Markterfolg zu
    85 verhelfen. Zu diesen Investitionen gehören nicht nur
    86 finanzielle Mittel sondern auch Know-How. Unbekannte
    87 Künstler ohne finanzielle Unterstützung oder entsprechende
    88 Partnerschaften werden derzeit nur selten so erfolgreich,
    89 dass sie von den Einnahmen leben können. Es ist auch heute
    90 in der Regel noch das Engagement eines Verwerters nötig, um
    91 eine professionelle kreative Betätigung zu ermöglichen.
    92 Alternative Modelle wie „Crowdfunding“ (freiwillige
    93 Zahlungen von Fans) sind jedenfalls bislang nicht
    94 etabliert; ihr Potential wird unterschiedlich eingeschätzt.
    95 Jedenfalls steht fest, dass professionelle Produktion von
    96 kreativen Inhalten wegen der dem Produkt eigenen
    97 Unsicherheit über den Erfolg eines Systems der
    98 Risikofinanzierung bedarf, für das derzeit vor allem die
    99 Verwerter einstehen.
    100 Dies bedeutet keineswegs, dass nicht auch jenseits der
    101 Kreativwirtschaft im Internet zunehmend kreative Leistungen
    102 erbracht werden. Auch werden gerade im digitalen Bereich
    103 viele neue Konstellationen abseits der klassischen
    104 Verwertungsmodelle erprobt. Solch neuartige Ansätze von
    105 Werkverwertungen sind in die Diskussion um die künftige
    106 Gestaltung der Immaterialgüterrechte einzubeziehen.
    107
    108 Wandel kreativer Leistung und ihrer Wertschätzung
    109
    110
    111 Neben originäre künstlerische oder sonstige kreative
    112 Produktion ist mit den Möglichkeiten der digitalen Technik
    113 zunehmend auch die Bearbeitung und anschließende
    114 Neuveröffentlichung vorhandenen Materials getreten. Auf
    115 diese Weise ist in den letzten Jahren eine blühende Kultur
    116 von Remixes und Mash-ups entstanden. Musikstücke und Filme
    117 werden neu zusammengeschnitten, einzelne Werke werden
    118 miteinander und über mediale Grenzen hinweg neu kombiniert.
    119 Künstlerische Möglichkeiten, wie sie in den zwanziger
    120 Jahren des 20. Jahrhunderts die klassische Moderne für sich
    121 entdeckte, sind damit zu einem Teil der Populärkultur
    122 avanciert. Nicht zuletzt haben dabei die satirischen und
    123 kritischen Spielarten von Collage und Montage eine
    124 Renaissance erlebt. Nicht nur die Produktion, auch die
    125 Distribution kreativer Inhalte ist im Wandel begriffen. Das
    126 Internet ermöglicht eine nahezu kostenlose Vervielfältigung
    127 und Verbreitung selbsterstellter digitaler Inhalte. Je mehr
    128 Produktion, Distribution und Rezeption zusammenfallen, wie
    129 es für das nicht-kommerzielle kreative Schaffen
    130 charakteristisch ist, desto mehr wandelt sich der Charakter
    131 des künstlerischen Schaffens selbst. Solche Tendenzen sind
    132 nicht adäquat erfasst, betrachtet man sie lediglich als
    133 Versuche von Laien, mit professionellen Künstlern in
    134 Konkurrenz treten zu wollen. Vielmehr können die Produkte
    135 jener Kreativität im Kontext ihrer massenhaften Verbreitung
    136 selbst zum Mittel von Kommunikation werden (z.B.
    137 Videoantworten bei YouTube).
    138
    139 Je mehr die Referenz auf andere Werke Gegenstand neuer
    140 kreativer Leistungen wird, desto mehr kann das
    141 Verwertungsrecht im Hinblick auf die Kreativität
    142 einschränkend wirken, wenn die Leistung der Allgemeinheit
    143 dadurch nicht mehr zur Verfügung steht. Es ist eine
    144 Voraussetzung für die wirtschaftliche Nutzung des
    145 Ursprungswerkes und damit für die Investition in neue
    146 Schöpfungen, kann aber auch zugleich die kreative
    147 Bezugnahme auf vorhandene Werke behindern.
    148 Mit diesen Entwicklungen scheint auch eine Veränderung der
    149 Haltung zum Immaterialgüterrecht einherzugehen, die aber
    150 auch durch andere Vorgänge unterstützt wird. Als das
    151 Internet der breiten Masse zugänglich wurde, wurde durch
    152 Computerindustrie und Provider in deren Werbung für ihre
    153 Produkte suggeriert, Inhalte stünden im Internet kostenlos
    154 zur Verfügung. Der Kauf der Hardware berechtigte scheinbar
    155 dazu, alle Inhalte unentgeltlich nutzen zu können. Ein
    156 Ausdruck der Wertschätzung erschien nicht notwendig.
    157 Da die Verwerter das Netz zunächst nicht als relevanten
    158 Absatzmarkt betrachteten, stellten zahlreiche
    159 Inhalteanbieter von Anfang an viele Inhalte kostenlos zur
    160 Verfügung.
    161
    162 Darüber hinaus gab es nicht von Anfang an die Möglichkeit,
    163 im Netz mit einem Äquivalent von Bargeld zu bezahlen, daher
    164 konnten sich bis heute nur wenige Geschäftsmodelle für
    165 bezahlte Inhalte entwickeln. Meist stellte die
    166 Kreativwirtschaft Inhalte kostenlos zur Verfügung und
    167 finanzierte dies durch Werbung o.ä.. Hinzu kamen
    168 Tauschbörsen, auf denen für den Teilnehmer oft nicht
    169 erkennbar ist, ob die zum Kopieren zur Verfügung gestellten
    170 Inhalte urheberrechtlich geschützt sind. Die Menschen, die
    171 sich mit der neuen Netz-Welt vertraut machten, nahmen an,
    172 dass zwar für den Zugang zum Netz, nicht aber für den
    173 Zugang zu Inhalten bezahlt werden musste. Da beim
    174 Kopiervorgang die Ursprungsdatei erhalten bleibt, fallen
    175 das Erzeugen und Begründen eines Unrechtsbewusstseins und
    176 die Vergleichbarkeit mit dem Diebstahl materieller
    177 Gegenstände schwer. Kommerzielle legale Download-Angebote
    178 waren zudem meist kompliziert, während Tauschbörsen über
    179 eine große Nutzerfreundlichkeit verfügten und somit immer
    180 mehr Zulauf erhielten. Hier, wie bei der Abspielbarkeit
    181 (Ländercode, Kompatibilität mit freier Software) gekaufter
    182 DVDs, versäumte es die Kreativindustrie, attraktive
    183 Angebote zu machen und setzte stattdessen verstärkt auf die
    184 Verfolgung und Kriminalisierung sogenannter „Raubkopierer“.
    185
    186 Diese Überlegungen verweisen auf die Bedeutung der sozialen
    187 Normen im Bereich der Immaterialgüter. Gerade im Internet
    188 kann olitik nicht davon setzen, dass die Regeln des
    189 Immaterialgüterrechts grundsätzlich akzeptiert und durch
    190 soziale Regeln faktisch von selbst durch gesetzt werden.
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