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Die Interessen von Bildung, Wissenschaft und Forschung |
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wurden im analogen Zeitalter vor allem durch die |
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Kopierprivilegien in § 53 UrhG geschützt. Im digitalen |
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Zeitalter wäre die wissenschaftliche Literaturversorgung |
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schnell und direkt möglich. Die für diesen Weg eingeführten |
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Schranken der §§ 52a, 53a, 53b UrhG sind aber auf ganz |
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spezifische Nutzungen bezogen, was überwiegend zur Folge |
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hat, dass die Dienste aus Sicht der Nutzer nur beschränkt |
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attraktiv sind. Nur zum Teil kompensiert wird das Vakuum |
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durch Bezahlportale. Allerdings beklagten Bibliotheken und |
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Universitäten zu hohe Kosten, eine Abnahmepflicht für |
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Bündelprodukte, enge Lizenzregelungen beim campusweiten |
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oder campusfernen Zugang und den abrupten Zugangsverlust zu |
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Inhalten im Falle einer Vertragsbeendigung. Die |
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Literaturversorgung bleibt daher aus |
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Wissenschaftsperspektive deutlich hinter den technischen |
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Möglichkeiten und auch dem weltweiten Standard der |
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Wis-senschaftskommunikation zurück. |
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Die Verleger von Wissenschaftsmedien haben erheblichen |
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Widerstand gegen jede Erweiterung der Schrankenbestimmungen |
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geleistet. Zum Teil kann dieser Widerstand hinterfragt |
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werden, so etwa, wenn dem wissenschaftlichen Urheber die |
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Möglichkeit zur Zugänglichmachung von Aufsätzen und |
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kürzeren Beitragen auf der eigenen oder auf einer |
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universitären Homepage verweigert wird. Als unzureichend |
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für die wissenschaftliche Zusammenarbeit werden die engen |
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Beschränkungen in der Schranke für die Zugänglichmachung |
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von Inhalten in Forschernetzen empfunden. Der Wortlaut des |
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§ 52a UrhG, der zudem zum 31.12.2012 auslaufen wird, wenn |
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er nicht (abermals) verlängert wird, ist aus Sicht von |
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Bildung, Wissenschaft und Forschung in der bestehenden |
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Fassung zu eng formuliert. Auch sollte, so eine weitere |
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Forderung, geprüft werden, wie die bereits im analogen |
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Zeitalter vorhandene Schranke des § 52 UrhG für den |
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modernen Hörsaalbetrieb überarbeitet werden kann. In der |
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Anhörung der Enquete-Kommission zum Thema „Urheberrecht“ |
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wurde hervorgehoben, dass seit Einführung der Schranke im |
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Jahr 2002 noch keine Vergütung erfolgt ist [Fußnote: |
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Stellungnahme Schild, Börsenverein, S. 4]. |
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Da auch bei den Beratungen des 2. Korbes zur Novellierung |
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des Urheberrechtes die bisherigen - Bildung, Wissenschaft |
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und Forschung betreffenden - Schrankenregelungen als nicht |
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ausreichend angesehen wurden, hat der Ausschuss für |
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Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung bei der |
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Verabschiedung des Gesetzgebungsverfahrens einen dritten |
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Korb für die Belange von Bildung, Wissenschaft und |
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Forschung gefordert [Fußnote: Vgl. hierzu |
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Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses vom |
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04.07.2007 (BT-Drs. 16/5939, S. 26f.)]. Nach den |
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Vorstellungen der Wissenschaftsorganisationen, wie des |
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Aktionsbündnisses Urheberrecht für Bildung und Wissenschaft |
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oder der Allianz der Wissenschaftsorganisationen sollte es |
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im Urheberrecht eine umfassende Wissenschaftsschranke |
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geben. |
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Im Rahmen dieses dritten Korbes sollte nach Auffassung des |
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Ausschusses für Bildung, Forschung und |
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Technikfolgenabschätzung neben einer |
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Flexi-bilisierungFlexibilisierung der bestehenden Schranken |
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insbesondere geprüft werden, wie das - auch international |
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inzwischen immer nachhaltiger eingeforderte - Prinzip eines |
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freien und für die Nutzer im Regelfall kostenlosen Zugangs |
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zu mit öffentlichen Mitteln produziertem Wissen (Open |
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Access) auch in Deutschland festgeschrieben und ob - wie |
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dies auch der Bundesrat gefordert hat - ein |
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Zweitverwertungsrecht für Urheber von wissenschaftlichen |
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Beiträgen, die überwiegend im Rahmen einer mit öffentlichen |
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Mitteln finanzierten Lehr- und Forschungstätigkeit |
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entstanden sind, eingeräumt werden kann. |
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Darüber hinaus wird diskutiert, ob nicht ein generelles |
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Zweitverwertungsrecht für Urheber von wissenschaftlichen |
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Beiträgen eingeführt werden sollte, in dem die derzeitige |
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Regelung des §38 UrhG als unabdingbar ausgestaltet wird. |
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Abweichende vertragliche Vereinbarungen wären dann nichtig. |
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Das Problem besteht darin, dass der derzeitige gesetzliche |
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Regelfall, in dem der Urheber sein Zweitverwertungsrecht |
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behält, in der Praxis der Ausnahmefall ist. Die Verlage |
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veröffentlichen in der Regel nur wenn ihnen die |
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ausschließlichen Nutzungsrechte eingeräumt werden. Da von |
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den Veröffentlichungen in bestimmten Zeitschriften häufig |
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die wissenschaftliche Reputation abhängt, befindet sich der |
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Urheber bei solchen Vertragsverhandlungen in einer |
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schwachen Verhandlungsposition. Die Verleger |
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wissenschaftlicher Publikationen nutzen diesen |
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Wettbewerbsvorteil aus. Insbesondere im STM-Bereich |
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(Wissenschaft, Technik, Medizin) zeigt sich, dass bestimmte |
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Verlage ihre Zeitschriften zu unangemessenen Preisen |
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verkaufen. Eine Meinung fordert daher ein verbindliches |
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Zweitverwertungsrecht, auch damit die öffentliche Hand bei |
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einer Förderung die Nutzung der Forschungsergebnisse durch |
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den Erwerb für Bibliotheken nicht noch eine weiteres Mal |
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finanzieren muss. Andererseits könnte statt eines |
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unabdingbaren Zweitverwer-tungsrechtsZweitverwertungsrechts |
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ebenso eine Lösung im Kartellrecht oder durch Auflagen, die |
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an die Förderung geknüpft sind oder eine bessere |
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finanzielle Ausstattung der Bibliotheken liegen. |