„Wenn du eine weise Antwort verlangst, musst du vernünftig fragen.“
Johann Wolfgang Goethe
Gefragt wird explizit, nach notwendigen Änderungen im Urheberrecht wegen der sog. „Internet Revolution“. Wir sind der Meinung, diese Frage ist falsch gestellt.
Niemand bezweifelt ernsthaft, dass wir weiter ein Urheberrecht brauchen. Viele sind der Meinung, das Urheberrecht muss im Hinblick auf die Digitalisierung angepasst werden. Und alle sind der Meinung, die Schöpfer unseres kulturellen Reichtums sollen weiter einen Nutzen aus ihrem Schaffen ziehen. Gesetz und Gerichte sprechen sogar von angemessener Vergütung, nicht irgendeinem Nutzen.
Über Details wird heftig gestritten. Schrankensystematik oder eine Generalklausel wie in den USA ? Trennung von Nutzungs- und Persönlichkeitsrechten ? Reichweite der Privatkopieschranke ? Dauer der Schutzrechte verlängern, oder verkürzen ? Alles vorgeblich entscheidende Fragen für ein zukunftstaugliches Urheberrecht. Die Liste der identifizierten „Probleme“ im Urheberrecht scheint endlos.
Leider überwiegen in dem Diskurs bisher die Stimmen der Politiker, Wissenschaftler, Juristen und natürlich auch der internetaffinen Nutzer, die sich, wer kann es ihnen verdenken, gerne selbst ins Zentrum des Urheberrechts rücken wollen. Im Zentrum stehen aber nach wie vor die Urheber und Leistungsschutzberechtigten. Die Stimmen der Künstler hört man dagegen leider viel zu selten, die Besetzung der Enquete mag zur Unterstützung dieser Behauptung ein Indiz liefern. Wenn unsere Mitglieder, viele davon Künstler sich an den Verband wenden, dann gibt es keine Beschwerden, die Schutzfristen seien zu lang oder zu kurz, es geht auch nicht um ihre Stellung innerhalb der Systematik des Urheberrechtsgesetzes, oder Schrankensystematik oder was auch immer in der öffentlichen Debatte auftaucht zu den gewollten Änderungen des Urheberrechts.
Allgemeine Meinung ist vielmehr, Persönlichkeitsrechte und Eigentum seien im Internet nicht viel wert. Jede Woche wenden sich Mitglieder an uns und weisen auf anonyme Angebote ihrer Alben auf irgendwelchen Websites im Internet hin. Es gibt Blogs, die sich auf Genres spezialisiert haben und ganze Kataloge unserer Mitglieder anbieten. An Journalisten gesandte CDs werden in Blogs vor Veröffentlichung hochgeladen und der Künstler, der sich an den Blogbetreiber wendet, damit sein Album dort wieder offline genommen wird, berichtet von Beschimpfungen und dem guten Rat, er solle seine Musik doch gefälligst kostenlos zur Verfügung stellen. Urheberrecht sei sowas von Eighties ! Die Listen könnte man lange fortsetzen, der Tenor bliebe immer der gleiche und die Antwort, die wir geben müssen ist mehr oder weniger auch immer die gleiche. Gegen anonyme Anbieter oder Anbieter im Ausland ist kein juristisches Kraut gewachsen und schon gar keines, das sich ein kleines, künstlergeführtes Label leisten kann. Die bittere Folge ist übrigens, dass junge Nachwuchskünstler sich zunehmend mit dem Gedanken abfinden müssen, dass es immer weniger gelingen wird aus ihrer gefühlten Berufung irgendwann einmal einen Beruf zu machen. Im Zweifel fährt man dann halt Taxi, spielt in einer Feierabendkapelle oder studiert irgendwas mit Medien.
Ganz ähnliche Töne vernimmt man von Datenschützern, wenn es um die Geltung der verfassungsrechtlichen Datenschutzgebote geht. Das Volkszählungsurteil des Bundesverfassungsgerichts von 1983 wirkt vor dem Hintergrund des Umgangs mit personenbezogenen Daten im Internet in der Realität tatsächlich wie ein absonderlicher Anachronismus im Zeitalter des Predictive Behavioral Targeting. Hier stimmt es wenigstens, die Grundsatzentscheidung des Bundesverfassungsgericht ist tatsächlich aus den 80er Jahren. Das Urheberrecht ist dagegen älter, viel älter und hat schon diverse technischen Revolutionen überstanden.
Wenn der Eindruck der Künstler und Datenschützer richtig ist, dann gibt es eine vernünftige Frage, die allen anderen Fragen zur Änderung des Urheberrechts vorausgeht:
Welche Maßnahmen sind geeignet, erforderlich und angemessen, damit allgemein gültige Ge- oder Verbote (u. a. des Urheberrechts) im Internet beachtet werden ?
Um diese Frage zu beantworten, muss zunächst der starr auf das Urheberrecht gerichtete Blick weitwinkliger werden und die Konvergenz des Urheberrechtsgesetzes insbesondere mit dem Telemedien-, Datenschutz- und Verfahrensrecht ausgeleuchtet werden. Keine Rechtsposition darf einer anderen schlichtweg geopfert werden. Ge- und Verbote dürfen sich nicht gegenseitig im Weg stehen, nur weil sie in verschiedenen Gesetzen formuliert sind. Und vor allem ist das Internet kein heiliger Gral, oder ein Naturereignis, dem wir Menschen hilflos ausgeliefert sind. Nein, unser Leben muss nicht zwangsläufig von irgenwelchen angeblich unumstößlichen Regeln des Internet diktiert werden, Menschen können vielmehr das Internet regeln. Das macht auch Sinn, denn so romantisch der Wilden Westen in seinen Filmen auch beschrieben wird, genau betrachtet herrscht dort das Recht des Stärkeren unter der die Mehrheit zu leiden hat. Als Zuschauer identifiziet man sich leider zu leicht mit dem Revolverhelden, den man im wirklichen Leben leider wenn überhaupt, dann nur sehr selten abgibt. zu selten darstellt.
Einige Beispiele:
Wenn Rechte im Internet durchgesetzt werden sollen, dann kann dem Internetnutzer und vor allem den Betreiber von Internetplattformen trotz dem Gebot der Datensparsamkeit (§ 3a S.2 BDSG; § 13 VI TMG ) z. B. nicht gleichzeitig schrankenlose Anonymität gewährt werden. Betreiber von Webseiten sind verpflichtet bestimmte Angaben über sich zu machen, § 5 TMG u. § 55 RStV. Nach den Grundregeln der ICANN ist es Registraren aber möglich, gefälschte oder anonyme Anmeldungen vorzunehmen, Anonymisierungstools wie WhoisGuard werden geduldet. Wieso eigentlich ? Gem. § 101 UrhG kann unter bestimmten Vorausset-zungen von Providern Auskunft über die Klarnamen potentieller Rechtsverletzer verlangt werden. Andererseits sind die Provider aber nicht verpflichtet die zur Auskunft notwendigen Daten zu speichern und selbst wenn diese Daten vorhanden sind, dann ist weiter rechtlich unklar, ob sie überhaupt an Dritte herausgegeben werden dürfen. Bei entsprechendem politischem Willen kann man das regeln. Viele Hostprovider belohnen ihre Kunden umso mehr Downloads ihre Uploads (Urlaubsvideos !?) generieren und profitieren trotzdem von den Haftungsprivilegien der §§ 7 ff TMG. Suchmaschinenbetreiber wie Google filtern (zensieren) Sucherergebnisse nach den Bedürfnissen des eigenen Geschäftsmodells, wer dagegen nach Filmtiteln sucht bekommt schon in den ersten Ergebnissen z. B. kino.to angeboten. Jeder hat ein subjektiv geprägtes Bild einer „illegalen Quelle“ im Internet. Künstler stufen Rapidshare, Eltern minderjähriger Kinder youporn.com und die Filmwirtschaft sicher kino.to als illegale Quelle ein. Wann verstößt aber ein Dienst gegen Rechtsnormen in einer Weise, dass dieser Dienst als mit der Rechtsordnung unvereinbar gelten muss, mit der Folge, dass angemessene Gegenmaßnahmen geboten und erforderlich sind ? Das Gesetz gibt keine Antwort und die allgemeine Unsicherheit führt dazu, dass die entsprechenden Services ungestört weiter gegen geltendes Recht verstoßen oder anderen entsprechendes Verhalten ermöglichen. All diese Beispiele sind nichts anderes als Regelungslücken und selbstverursachte Probleme die lösbar wären, bei entsprechendem politischen Willen.
Die wichtigste Handlungsempfehlung an die Enquette Internet und den Gesetzgeber lautet daher, zunächst verbindliche, durchsetzbare Regeln im Internet zu schaffen durch eine abgestufte Verantwortlichkeit in die Provider und Nutzer aktiv mit einbezogen werden müssen.
Gesetzlicher Änderungsbedarf zu Gunsten des Urheberrechts besteht daher zunächst nicht im Urheberrecht, sondern in Einklang internationaler Rechtssetzung zunächst in Gesetzen wie z. B. dem TMG, TKG, BDSG, die auf das Urheberrecht abzustimmen sind. Einseitige, aufgrund der Digitalisierung geforderte Änderungen am Urheberrechtsgesetz gehen sonst entweder ins Leere (z. B. Veränderungen der Schutzfristen) oder verstärken das bestehende Ungleichgewicht der Grundrechte mit Internetbezug zum Nachteil der Urheber und Künstler.
Der Verband der unabhängigen Musikunternehmen VUT e. V.