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Audiovisuelles Kulturerbe im Internet sichtbar machen


Positionspapier des Netzwerks Mediatheken Audiovisuelles Erbe im Internet sichtbar machen (Stand: April 2011)

Abstract Gedächtnisorganisationen, die öffentlich finanziert sind oder nichtkommerziellen kulturellen Zwecken dienen, erhalten über eine Weiterentwicklung des Urheberrechts die Möglichkeit, in öffentlich zugänglichen Internetdatenbanken ihre audiovisuellen Dokumente in angemessener Form zu präsentieren. Das bisherige Urheberrecht verhindert dies.

Die im Folgenden vorgeschlagene Lösung liegt gleichermaßen im Interesse der Urheber bzw. Rechteinhaber, der Gedächtnisorganisationen und der Öffentlichkeit. Kulturelle Überlieferung bleibt lebendig erhalten.

Das Problem Die europäische und nationale Kulturpolitik fordert, „das kulturelle und wissenschaftliche Erbe Europas für alle über das Internet zugänglich zu machen.“ Demzufolge haben Ge-dächtnisorganisationen wie Archive, Bibliotheken, Museen, Mediatheken in Deutschland ent-sprechende digitale Inhalte – Metadaten, aber auch digitalisierte Dokumente und Objekte – bereit zu stellen und öffentlich zugänglich zu machen. Gleichzeitig steht dem aber entgegen, dass „für die Wahrung der bestehenden Urheber- und Leistungsschutzrechte Sorge zu tragen ist.“ Damit ergibt sich für alle diejenigen Gedächtnisorganisationen, die für audiovisuelles Kulturgut verantwortlich sind, ein brisantes und vielfach unlösbares Problem, weil die öffentliche Zugänglichmachung der vergleichsweise jungen Medien Bild, Film und Ton nahezu immer urheberrechtlichen Einschränkungen unterliegt. Nach geltendem deutschen Urheberrecht ist für den Zeitraum der gesetzlichen Schutzfrist eine öffentliche Zugänglichmachung geschützter Werke auch dort unzulässig, wo sie - und sei es ausschnittweise - in Verbindung mit Metadaten nur der visualisierenden Darstellung dieses Werkes dient.

Selbst vertragliche Absprachen mit den Rechteinhabern, Lizenzträgern oder Verwertungsgesellschaften bieten hier keinen Ausweg. Gerade bei AV-Beständen der Archive, Bibliotheken und Museen sind die Rechteinhaber entweder häufig nicht bekannt („verwaiste Werke“), oder die Rechtesituation ist nicht zuletzt wegen der Vielzahl der z. B. an der Produktion eines Filmwerkes Beteiligten häufig unklar. Deshalb ist eine klare gesetzliche Gesamtlösung notwendig.

Die Folgen Ein Großteil des audiovisuellen Kulturguts, das noch den Schutzfristen des Urheberrechts unterliegt, kann in digitalisierter Form nicht in öffentlich zugängliche Datenbanken eingestellt werden. Das gilt insbesondere für die über Internet zugängliche „Europeana“ oder die „Deutsche Digitale Bibliothek“.

Beim derzeitigen Stand können Gedächtnisorganisationen in öffentlich zugänglichen Datenbanken in aller Regel lediglich die Textinformation von Katalog- oder Metadaten anbieten. Ausgeschlossen bleibt selbst die ausschnittweise Wiedergabe von Bild-, Film- und Tonwerken. Gleiches gilt übrigens auch für Begleitmaterialien wie Plakate, Broschüren usw.

Da audiovisuelles Kulturgut über textliche Metadaten nicht hinreichend anschaulich gemacht werden kann, ist der potentielle Nutzer bei AV-Dokumenten zumindest auf einen kurzen visuellen Eindruck angewiesen. Wer auch jüngeres, zeitgenössisches Kulturgut aus der öffentlichen Wahrnehmung nicht ausschließen will, wird nach einer generellen rechtlichen Lösung dieses Problems suchen müssen. Übrigens liegt eine solche Lösung auch im Sinne der berechtigten Interessen der Urheber. Verwertungsinteressen können nur dann realisiert werden, wenn die Veröffentlichung von Hinweisen auf die Werke die Nachfrage nach deren Nutzung stimuliert.

Lösungsvorschlag Gedächtnisorganisationen, die öffentlich finanziert sind oder nichtkommerziellen kulturellen Zwecken dienen, erhalten im Rahmen einer Weiterentwicklung des Urheberrechts die Möglichkeit, in öffentlich zugänglichen Internetdatenbanken ergänzend zu den Metadaten auch ihre audiovisuellen Dokumente in einer dem Medium angemessenen Form zu präsentieren.

Um Urheberrechtsverletzungen in diesem Zusammenhang auszuschließen, ist über technische Beschränkungen sicher zu stellen, dass über die Belegfunktion hinaus rechtlich unzulässige Werk-Wiedergaben ausgeschlossen werden.

Begründung Das Urheberrecht und seine begleitenden Gesetze dienen dem Interessenschutz der Urheber und der Leistungsschutzinhaber. Generell wird davon ausgegangen, dass jede Form der Verwendung eine zustimmungsbedürftige Nutzung darstellt. Doch es gibt auch Ausnahmen von diesem Grundsatz, beispielsweise das Zitatrecht. Aus Sicht der Gedächtnisorganisationen dürfte auch die in ausschnittweiser Form vorzunehmende Sichtbarmachung von Beständen, die kein Ersatz für den eigentlichen Werkgenuss ist, nicht als zustimmungsbedürftige Nutzung angesehen werden. Auch sie hat - ähnlich wie das Zitat - lediglich eine Belegfunktion.

Die ausschnittweise Visualisierung von Beständen liegt auch im Interesse der Urheber bzw. Rechteinhaber. Dies wird dadurch deutlich, dass beispielsweise bei Filmen, die (noch) kommerziell ausgewertet werden, im Auftrag der Rechteinhaber üblicherweise Trailer, Keyframes o.ä. zur Visualisierung gefertigt werden, mit denen geworben wird. Diese Trailer sind kostenlos auch im Internet abrufbar. Angesichts der durch die Rechteinhaber vorgenommenen Anstrengungen bleiben die so beworbenen Filme im öffentlichen Gedächtnis präsent.

Anders sieht es jedoch bei vielen Beständen in den Archiven und Mediatheken aus. Weil es an lukrativen Verwertungsmöglichkeiten mangelt, lassen die Rechteinhaber keine Trailer fertigen. Hier beginnt die Verantwortung der Gedächtnisorganisationen, die Vielfalt des audiovisuellen Kulturerbes auch dort deutlich zu machen, wo nicht in erster Linie oder keine kommerziellen Verwertungsinteressen bestehen. Die in öffentlichem Auftrag Kulturgut sammelnden Institutionen pflegen ihre Bestände mit hohem Aufwand, sie dokumentieren deren Status sowie deren gesellschaftlichen und wissenschaftlichen Kontext. Damit sichern sie das Kulturgut in seiner Existenz für die Zukunft und halten es zugänglich für die Gegenwart. Sie tun dies im öffentlichen Auftrag und zum Nutzen der Allgemeinheit. Sie handeln damit auch im Interesse der Urheber. Gedächtnisorganisationen wie Urheber wollen, dass Werke aufgeführt oder genutzt werden. Sie wollen nicht, dass kulturelle Leistungen der Öffentlichkeit entzogen werden und in Vergessenheit geraten.

Das Internet befördert die allseitige Kommunikation. Den Gedächtnisorganisationen bietet sich damit ein Instrument, die von ihnen bewahrte und gepflegte kulturelle Überlieferung in einen globalen Vermittlungsprozess einzubringen und lebendig zu halten. In einer Informations-gesellschaft ist zu verhindern, dass Kulturgut der Öffentlichkeit vorenthalten wird. Die Gedächtnisorganisationen sehen hier ihre Chance und ihre Verpflichtung. Wollen Sie dieser Verpflichtung gerecht werden, benötigen sie die rechtlichen Voraussetzungen, die beides erlauben: das von ihnen archivierte Kulturgut zugänglich zu machen und die berechtigten Interessen der Urheber und Leistungsschutzberechtigten nicht nur zu wahren, sondern ihnen durch diese öffentliche Vermittlung auch zu dienen.

Die Lenkungsgruppe des Netzwerks Mediatheken, April 2011

Dr. Paul Klimpel Dr. Hans Peter Jäger Hartmut Jörg Peter Paul Kubitz Dr. Dietmar Preißler


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