| 1 | Die Interessen von Bildung, Wissenschaft und Forschung |
| 2 | wurden im analogen Zeitalter vor allem durch die |
| 3 | Kopierprivilegien in § 53 UrhG geschützt. Im digitalen |
| 4 | Zeitalter wäre die wissenschaftliche Literaturversorgung |
| 5 | schnell und direkt möglich. Die für diesen Weg eingeführten |
| 6 | Schranken der §§ 52a, 53a, 53b UrhG sind aber auf ganz |
| 7 | spezifische Nutzungen bezogen, was überwiegend zur Folge |
| 8 | hat, dass die Dienste aus Sicht der Nutzer nur beschränkt |
| 9 | attraktiv sind. Nur zum Teil kompensiert wird das Vakuum |
| 10 | durch Bezahlportale. Allerdings beklagten Bibliotheken und |
| 11 | Universitäten zu hohe Kosten, eine Abnahmepflicht für |
| 12 | Bündelprodukte, enge Lizenzregelungen beim campusweiten oder |
| 13 | campusfernen Zugang und den abrupten Zugangsverlust zu |
| 14 | Inhalten im Falle einer Vertragsbeendigung. Die |
| 15 | Literaturversorgung bleibt daher aus |
| 16 | Wissenschaftsperspektive deutlich hinter den technischen |
| 17 | Möglichkeiten und auch dem weltweiten Standard der |
| 18 | Wis-senschaftskommunikation zurück. Die Verleger von |
| 19 | Wissenschaftsmedien haben erheblichen Widerstand gegen jede |
| 20 | Erweiterung der Schrankenbestimmungen geleistet. Zum Teil |
| 21 | kann dieser Widerstand hinterfragt werden, so etwa, wenn dem |
| 22 | wissenschaftlichen Urheber die Möglichkeit zur |
| 23 | Zugänglichmachung von Aufsätzen und kürzeren Beitragen auf |
| 24 | der eigenen oder auf einer universitären Homepage verweigert |
| 25 | wird. Als unzureichend für die wissenschaftliche |
| 26 | Zusammenarbeit werden die engen Beschränkungen in der |
| 27 | Schranke für die Zugänglichmachung von Inhalten in |
| 28 | Forschernetzen empfunden. Der Wortlaut des § 52a UrhG, der |
| 29 | zudem zum 31.12.2012 auslaufen wird, wenn er nicht |
| 30 | (abermals) verlängert wird, ist aus Sicht von Bildung, |
| 31 | Wissenschaft und Forschung in der bestehenden Fassung zu eng |
| 32 | formuliert. Auch sollte, so eine weitere Forderung, geprüft |
| 33 | werden, wie die bereits im analogen Zeitalter vorhandene |
| 34 | Schranke des § 52 UrhG für den modernen Hörsaalbetrieb |
| 35 | überarbeitet werden kann. In der Anhörung der |
| 36 | Enquete-Kommission zum Thema „Urheberrecht“ wurde |
| 37 | hervorgehoben, dass seit Einführung der Schranke im Jahr |
| 38 | 2002 noch keine Vergütung erfolgt ist [Fußnote: |
| 39 | Stellungnahme Schild, Börsenverein, S. 4]. |
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| 41 | Da auch bei den Beratungen des 2. Korbes zur Novellierung |
| 42 | des Urheberrechtes die bisherigen - Bildung, Wissenschaft |
| 43 | und Forschung betreffenden - Schrankenregelungen als nicht |
| 44 | ausreichend angesehen wurden, hat der Ausschuss für Bildung, |
| 45 | Forschung und Technikfolgenabschätzung bei der |
| 46 | Verabschiedung des Gesetzgebungsverfahrens einen dritten |
| 47 | Korb für die Belange von Bildung, Wissenschaft und Forschung |
| 48 | gefordert [Fußnote: Vgl. hierzu Beschlussempfehlung und |
| 49 | Bericht des Rechtsausschusses vom 04.07.2007 (BT-Drs. |
| 50 | 16/5939, S. 26f.)]. Nach den Vorstellungen der |
| 51 | Wissenschaftsorganisationen, wie des Aktionsbündnisses |
| 52 | Urheberrecht für Bildung und Wissenschaft oder der Allianz |
| 53 | der Wissenschaftsorganisationen sollte es im Urheberrecht |
| 54 | eine umfassende Wissenschaftsschranke geben. Im Rahmen |
| 55 | dieses dritten Korbes sollte nach Auffassung des Ausschusses |
| 56 | für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung neben |
| 57 | einer Flexi-bilisierung der bestehenden Schranken |
| 58 | insbesondere geprüft werden, wie das - auch international |
| 59 | inzwischen immer nachhaltiger eingeforderte - Prinzip eines |
| 60 | freien und für die Nutzer im Regelfall kostenlosen Zugangs |
| 61 | zu mit öffentlichen Mitteln produziertem Wissen (Open |
| 62 | Access) auch in Deutschland festgeschrieben und ob - wie |
| 63 | dies auch der Bundesrat gefordert hat - ein |
| 64 | Zweitverwertungsrecht für Urheber von wissenschaftlichen |
| 65 | Beiträgen, die überwiegend im Rahmen einer mit öffentlichen |
| 66 | Mitteln finanzierten Lehr- und Forschungstätigkeit |
| 67 | entstanden sind, eingeräumt werden kann. |
| 68 | |
| 69 | Darüber hinaus wird diskutiert, ob nicht ein generelles |
| 70 | Zweitverwertungsrecht für Urheber von wissenschaftlichen |
| 71 | Beiträgen eingeführt werden sollte, in dem die derzeitige |
| 72 | Regelung des §38 UrhG als unabdingbar ausgestaltet wird. |
| 73 | Abweichende vertragliche Vereinbarungen wären dann nichtig. |
| 74 | Das Problem besteht darin, dass der derzeitige gesetzliche |
| 75 | Regelfall, in dem der Urheber sein Zweitverwertungsrecht |
| 76 | behält, in der Praxis der Ausnahmefall ist. Die Verlage |
| 77 | veröffentlichen in der Regel nur wenn ihnen die |
| 78 | ausschließlichen Nutzungsrechte eingeräumt werden. Da von |
| 79 | den Veröffentlichungen in bestimmten Zeitschriften häufig |
| 80 | die wissenschaftliche Reputation abhängt, befindet sich der |
| 81 | Urheber bei solchen Vertragsverhandlungen in einer schwachen |
| 82 | Verhandlungsposition. Die Verleger wissenschaftlicher |
| 83 | Publikationen nutzen diesen Wettbewerbsvorteil aus. |
| 84 | Insbesondere im STM-Bereich (Wissenschaft, Technik, Medizin) |
| 85 | zeigt sich, dass bestimmte Verlage ihre Zeitschriften zu |
| 86 | unangemessenen Preisen verkaufen. Eine Meinung fordert daher |
| 87 | ein verbindliches Zweitverwertungsrecht, auch damit die |
| 88 | öffentliche Hand bei einer Förderung die Nutzung der |
| 89 | Forschungsergebnisse durch den Erwerb für Bibliotheken nicht |
| 90 | noch eine weiteres Mal finanzieren muss. Andererseits könnte |
| 91 | statt eines unabdingbaren Zweitverwer-tungsrechts ebenso |
| 92 | eine Lösung im Kartellrecht oder durch Auflagen, die an die |
| 93 | Förderung geknüpft sind oder eine bessere finanzielle |
| 94 | Ausstattung der Bibliotheken liegen. |
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1.11.02 Problemfeld: Wissenschaftsschranke (Originalversion)
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