1.11.02 Problemfeld: Wissenschaftsschranke

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    von EnqueteBuero, angelegt
    1 Die Interessen von Bildung, Wissenschaft und Forschung
    2 wurden im analogen Zeitalter vor allem durch die
    3 Kopierprivilegien in § 53 UrhG geschützt. Im digitalen
    4 Zeitalter wäre die wissenschaftliche Literaturversorgung
    5 schnell und direkt möglich. Die für diesen Weg eingeführten
    6 Schranken der §§ 52a, 53a, 53b UrhG sind aber auf ganz
    7 spezifische Nutzungen bezogen, was überwiegend zur Folge
    8 hat, dass die Dienste aus Sicht der Nutzer nur beschränkt
    9 attraktiv sind. Nur zum Teil kompensiert wird das Vakuum
    10 durch Bezahlportale. Allerdings beklagten Bibliotheken und
    11 Universitäten zu hohe Kosten, eine Abnahmepflicht für
    12 Bündelprodukte, enge Lizenzregelungen beim campusweiten oder
    13 campusfernen Zugang und den abrupten Zugangsverlust zu
    14 Inhalten im Falle einer Vertragsbeendigung. Die
    15 Literaturversorgung bleibt daher aus
    16 Wissenschaftsperspektive deutlich hinter den technischen
    17 Möglichkeiten und auch dem weltweiten Standard der
    18 Wis-senschaftskommunikation zurück. Die Verleger von
    19 Wissenschaftsmedien haben erheblichen Widerstand gegen jede
    20 Erweiterung der Schrankenbestimmungen geleistet. Zum Teil
    21 kann dieser Widerstand hinterfragt werden, so etwa, wenn dem
    22 wissenschaftlichen Urheber die Möglichkeit zur
    23 Zugänglichmachung von Aufsätzen und kürzeren Beitragen auf
    24 der eigenen oder auf einer universitären Homepage verweigert
    25 wird. Als unzureichend für die wissenschaftliche
    26 Zusammenarbeit werden die engen Beschränkungen in der
    27 Schranke für die Zugänglichmachung von Inhalten in
    28 Forschernetzen empfunden. Der Wortlaut des § 52a UrhG, der
    29 zudem zum 31.12.2012 auslaufen wird, wenn er nicht
    30 (abermals) verlängert wird, ist aus Sicht von Bildung,
    31 Wissenschaft und Forschung in der bestehenden Fassung zu eng
    32 formuliert. Auch sollte, so eine weitere Forderung, geprüft
    33 werden, wie die bereits im analogen Zeitalter vorhandene
    34 Schranke des § 52 UrhG für den modernen Hörsaalbetrieb
    35 überarbeitet werden kann. In der Anhörung der
    36 Enquete-Kommission zum Thema „Urheberrecht“ wurde
    37 hervorgehoben, dass seit Einführung der Schranke im Jahr
    38 2002 noch keine Vergütung erfolgt ist [Fußnote:
    39 Stellungnahme Schild, Börsenverein, S. 4].
    40
    41 Da auch bei den Beratungen des 2. Korbes zur Novellierung
    42 des Urheberrechtes die bisherigen - Bildung, Wissenschaft
    43 und Forschung betreffenden - Schrankenregelungen als nicht
    44 ausreichend angesehen wurden, hat der Ausschuss für Bildung,
    45 Forschung und Technikfolgenabschätzung bei der
    46 Verabschiedung des Gesetzgebungsverfahrens einen dritten
    47 Korb für die Belange von Bildung, Wissenschaft und Forschung
    48 gefordert [Fußnote: Vgl. hierzu Beschlussempfehlung und
    49 Bericht des Rechtsausschusses vom 04.07.2007 (BT-Drs.
    50 16/5939, S. 26f.)]. Nach den Vorstellungen der
    51 Wissenschaftsorganisationen, wie des Aktionsbündnisses
    52 Urheberrecht für Bildung und Wissenschaft oder der Allianz
    53 der Wissenschaftsorganisationen sollte es im Urheberrecht
    54 eine umfassende Wissenschaftsschranke geben. Im Rahmen
    55 dieses dritten Korbes sollte nach Auffassung des Ausschusses
    56 für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung neben
    57 einer Flexi-bilisierung der bestehenden Schranken
    58 insbesondere geprüft werden, wie das - auch international
    59 inzwischen immer nachhaltiger eingeforderte - Prinzip eines
    60 freien und für die Nutzer im Regelfall kostenlosen Zugangs
    61 zu mit öffentlichen Mitteln produziertem Wissen (Open
    62 Access) auch in Deutschland festgeschrieben und ob - wie
    63 dies auch der Bundesrat gefordert hat - ein
    64 Zweitverwertungsrecht für Urheber von wissenschaftlichen
    65 Beiträgen, die überwiegend im Rahmen einer mit öffentlichen
    66 Mitteln finanzierten Lehr- und Forschungstätigkeit
    67 entstanden sind, eingeräumt werden kann.
    68
    69 Darüber hinaus wird diskutiert, ob nicht ein generelles
    70 Zweitverwertungsrecht für Urheber von wissenschaftlichen
    71 Beiträgen eingeführt werden sollte, in dem die derzeitige
    72 Regelung des §38 UrhG als unabdingbar ausgestaltet wird.
    73 Abweichende vertragliche Vereinbarungen wären dann nichtig.
    74 Das Problem besteht darin, dass der derzeitige gesetzliche
    75 Regelfall, in dem der Urheber sein Zweitverwertungsrecht
    76 behält, in der Praxis der Ausnahmefall ist. Die Verlage
    77 veröffentlichen in der Regel nur wenn ihnen die
    78 ausschließlichen Nutzungsrechte eingeräumt werden. Da von
    79 den Veröffentlichungen in bestimmten Zeitschriften häufig
    80 die wissenschaftliche Reputation abhängt, befindet sich der
    81 Urheber bei solchen Vertragsverhandlungen in einer schwachen
    82 Verhandlungsposition. Die Verleger wissenschaftlicher
    83 Publikationen nutzen diesen Wettbewerbsvorteil aus.
    84 Insbesondere im STM-Bereich (Wissenschaft, Technik, Medizin)
    85 zeigt sich, dass bestimmte Verlage ihre Zeitschriften zu
    86 unangemessenen Preisen verkaufen. Eine Meinung fordert daher
    87 ein verbindliches Zweitverwertungsrecht, auch damit die
    88 öffentliche Hand bei einer Förderung die Nutzung der
    89 Forschungsergebnisse durch den Erwerb für Bibliotheken nicht
    90 noch eine weiteres Mal finanzieren muss. Andererseits könnte
    91 statt eines unabdingbaren Zweitverwer-tungsrechts ebenso
    92 eine Lösung im Kartellrecht oder durch Auflagen, die an die
    93 Förderung geknüpft sind oder eine bessere finanzielle
    94 Ausstattung der Bibliotheken liegen.