1 | Verfassungsrecht und Urheberrecht |
2 | |
3 | Dieses Thema wurde in der PG noch nicht oder nicht |
4 | abschließend bearbeitet. Die Arbeitspapiere werden |
5 | baldmöglich eingebunden. |
1-3 von 3
-
1.07 (Verfassungsmäßiger Rahmen) (Originalversion)
von Administrator, angelegt -
1.07 (Verfassungsmäßiger Rahmen) (Originalversion)
von EnqueteWiMi3, angelegt1 Verfassungsrecht und Urheberrecht 2 3 Das Werk des Urhebers wird im kontinentaleuropäischen Recht 4 sowohl durch sein Persönlich-keitsrecht als auch durch das 5 Eigentumsrecht geschützt. In Deutschland wird dieser Schutz 6 damit durch Artt. 1 und 14 GG gewährleistet. Das 7 Urheberrecht ordnet neben dem Urheberpersönlichkeitsrechts 8 die vermögenswerte Seite eines Werks dem Urheber zu. Für 9 die vermögenswerte Seite eines Werkes ist Artikel 14 GG 10 einschlägig - das Eigentum wird gewährleistet. 11 12 Bei Artikel 14 GG handelt es sich um ein sog. normgeprägtes 13 Grundrecht, d.h. es bedarf der Ausgestaltung des 14 Gesetzgebers. Der Gefahr der möglichen Aushöhlung wird mit 15 der Konstruktion der Institutsgarantie begegnet, wonach ein 16 unveränderlicher Wert des Grundrechts erhalten bleiben muss. 17 18 Als Institutsgarantie umfasst Artikel 14 GG nach der 19 Rechtsprechung des BVerfG die Zuordnung des 20 wirtschaftlichen Nutzens eigener Arbeit im Sinne 21 angemessener Vergütung, soweit nicht Gründen des 22 Gemeinwohls der Vorrang [Fußnote: BVerfG-Zitat: „Artikel 14 23 GG gebietet die grundsätzliche Zuordnung der schöpferischen 24 Leistung an den Urheber im Wege privatrechtlicher 25 Normierung und sichert seine Befugnis, darüber in eigener 26 Verantwortung verfügen zu können. Aber nicht jede nur 27 denkbare Verwertungsmöglichkeit ist abgesichert. Vielmehr 28 hat der Gesetzgeber gemäß Artikel 14 Abs. 1 S. 2 GG eine 29 der Natur und der sozialen Bedeutung des Urheberrechts 30 entsprechende Nutzung und angemessene Verwertung 31 sicherzustellen; jede inhaltsbestimmende gesetzliche 32 Regelung muss den Interessen aller Beteiligten Rechnung 33 tragen; sowohl die geistig-schöpferische als auch die 34 wiederschaffende Leistung sind darauf angelegt, nach 35 einiger Zeit frei zugänglich zu werden (BVerfG 31, 275).“] 36 gebührt. 37 38 Bestandsaufnahme 39 40 Das Urheberrecht gleicht Eigentumsinteressen und 41 Gemeinwohlinteressen aus, indem es Schutzansprüche mit 42 Schrankenregelungen kombiniert. So wird der 43 Sozialpflichtigkeit des Eigentums Rechnung getragen, 44 dadurch dass „der Träger eines vermögenswerten Rechts die 45 Beschränkungen gefallen lassen muss, die in Bezug auf sein 46 Recht üblich, sozialadäquat und zumutbar sind“ [Fußnote: 47 Maunz, Theodor: „Das geistige Eigentum in 48 verfassungsrechtlicher Sicht“, GRUR 1973, S. 107ff.]. Das 49 Bundesverfassungsgericht hat zudem ein schutzwürdiges 50 Interesse der Allgemeinheit an einer möglichst 51 ungehinderten Nutzung von Werken ausdrücklich anerkannt, 52 allerdings muss ein gesteigertes öffentliches Interesse 53 vorliegen [Fußnote: BVerfGE 31, 229 (Leitsatz).]. Die 54 Interessen der Allgemeinheit sind verfassungsrechtlich 55 durch Art 14 Abs. 2 GG geschützt und setzen insofern der 56 Ausgestaltung des Eigentumsrechts Grenzen [Fußnote: 57 BVerfGE95, 64 (84)]. 58 59 Zur Abwägung zwischen Vermögensinteressen und 60 Gemeinwohlinteressen hat sich das Bundesverfassungsgericht 61 in seiner Entscheidung „Kirchen- und Schulgebrauch“ wie 62 folgt geäußert: Erstens sei das Urheberrecht als 63 Nutzungsrecht Eigentum im Sinne des Grundgesetzes. Zweitens 64 müsse deshalb „die grundsätzliche Zuordnung des 65 wirtschaftlichen Wertes eines geschützten Werkes an den 66 Urheber“ sichergestellt werden. Drittens rechtfertige es 67 das „Interesse der Allgemeinheit an einem ungehinderten 68 Zugang zu den Kulturgütern“, wenn bestimmte Nutzungen auch 69 ohne die Genehmigung des Urhebers möglich seien, sofern 70 dieser eine Vergütung erhalte [Fußnote: BVerfGE 31, S. 229, 71 siehe auch 72 http://www.telemedicus.info/urteile/Urheberrecht/754-BVerfG- 73 Az-1-BvR-76566-Schulbuchprivileg.html]. 74 75 Allerdings sind Ausschließlichkeitsrecht und 76 Vergütungsanspruch nicht gleichrangig. Der 77 urheberrechtliche Normalfall ist im geltenden Urheberrecht 78 das Ausschließlichkeitsrecht: Der Urheber kann selbst 79 darüber entscheiden, wer sein Werk zu welchen Konditionen 80 nutzen darf. Nur in Ausnahmefällen (Schranken) wird ihm 81 dieses Verbotsrecht genommen. Ihm verbleibt dann jedoch in 82 aller Regel ein Anspruch auf eine Vergütung. Hat er also 83 keine Möglichkeit mehr, die Nutzung seines Werks zu 84 untersagen, so soll ihm wenigstens eine finanzielle 85 Kompensation verbleiben. Gleichwohl ist es möglich, dass 86 auch der Vergütungsanspruch entfällt, wie etwa beim 87 Zitatrecht. Dies muss dann allerdings durch ein besonders 88 starkes Gemeinwohlinteresse begründbar sein [Fußnote: 89 BVerfGE 79, S. 29]. 90 91 Die Schranken (z.B. Schutzfristen, Zitiergebot usw.) sind 92 Ausdruck des Interessenausgleichs zwischen Urhebern, 93 Verwertern und Nutzern und werden durch den Gesetzgeber 94 ausgestaltet. Sie sind nicht konkret durch das Grundgesetz 95 vorgegeben, sondern richten sich nach Eingriffsintensität 96 und Verhältnismäßigkeit. 97 98 Neben den die Verwertungsrechte betreffenden 99 eigentumsrechtlichen Belangen sind 100 persönlichkeitsrechtliche Aspekte von Interesse. Das 101 Urheberpersönlichkeitsrecht wird üblicherweise aus dem 102 allgemeinen Persönlichkeitsrecht hergeleitet und soll den 103 Urheber „in seinen geistigen und persönlichen Beziehungen 104 zum Werk“ schützen, wie es in §11 UrhG heißt. Aus dem 105 Urheberpersönlichkeitsrecht wird beispielsweise das Recht 106 auf Namensnennung abgeleitet oder auch das Recht, sich 107 gegen Entstellungen des Werks zur Wehr zu setzen. 108 109 Verfassungsrechtlich besteht der Schutzauftrag des Staates 110 darin, Beeinträchtigungen des allgemeinen 111 Persönlichkeitsrechts durch Dritte vorzubeugen. Zur 112 Beurteilung von Eingriffen in die Persönlichkeitsrechte 113 wird in der Regel zunächst nach deren Intensität gefragt. 114 Eine Beeinträchtigung der Intimsphäre wiegt schwerer als 115 eine der Privatsphäre. Eine entsprechende Abwägung liegt 116 auch für Verletzungen des Urheberpersönlichkeitsrechts nahe. 117 118 Ein wichtiges Indiz für die Beurteilung der Intensität von 119 Eingriffen in die Persönlichkeitsrechte ist in der 120 Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts der Akt der 121 Erstveröffentlichung. In einem einschlägigen Urteil dazu 122 heißt es: „Mit der Veröffentlichung steht ein Werk nicht 123 mehr allein seinem Inhaber zur Verfügung. Vielmehr tritt es 124 bestimmungsgemäß in den gesellschaftlichen Raum und kann 125 damit zu einem eigenständigen, das kulturelle und geistige 126 Bild der Zeit mitbestimmenden Faktor werden. Es löst sich 127 mit der Zeit von der privatrechtlichen Verfügbarkeit und 128 wird geistiges und kulturelles Allgemeingut.“ [Fußnote: 129 BVerfG NJW 2001, S. 598 (599), siehe auch 130 http://www.telemedicus.info/urteile/Urheberrecht/605-BVerfG- 131 Az-1-BvR-82598-Germania-3.html]. Nach Ansicht des 132 Bundesverfassungsgerichts nimmt die persönliche Beziehung 133 des Urhebers zu seinem Werk also mit der Veröffentlichung 134 ab, während das Allgemeininteresse an diesem Werk zunimmt. 135 Maßgeblicher Ausgangspunkt für das BVerfG ist jedoch stets, 136 dass das geschaffene Werk und die darin verkörperte 137 geistige Leistung in vermögensrechtlicher Hinsicht Eigentum 138 des Urhebers ist (BVerfG 31, 229, 239, 49, 382, 392). 139 Prüfungsmaßstab ist und bleibt daher primär die 140 Eigentumsgarantie des Grundgesetzes. Ein Argument für die 141 Zulässigkeit einer Beschränkung läßt sich danach nicht 142 daraus herleiten, dass eine Schranke bisher unangefochten 143 in Kraft war, denn hierdurch alleine werden sie nicht zu 144 einem allgemein anerkannten „Ausdruck sozialer Bindung des 145 Urheberrechts“ (BVerfG 31, 229, 244). Es müsse vielmehr in 146 jedem Einzelfall zu einer Güterabwägung kommen. Dabei 147 müssten die Gründe, die die Beschränkung des Urheberrechts 148 rechtfertigen sollen, umso schwerwiegender sein, je stärker 149 eine gesetzliche Vorschrift den grundrechtlich geschützten 150 Bereich berührt (BVerfG 49, 382, 400) 151 152 Lösungsansätze bei der Ausgestaltung des Urheberrechts 153 154 Wesentlich zur Rechtsprechung des BVerfG zu den 155 Immaterialgüterrechten erscheint, dass mit Art. 14 Abs. 1 156 S. 2 GG der Gesetzgeber erworbene Rechte im Rahmen der 157 Inhalts- und Schrankenbestimmung umgestalten und auch 158 einschränken darf. Bei der Ausgestaltung ist der 159 Gesetzgeber angewiesen, das Ziel des komplexen Ausgleichs 160 einer Vielzahl von Interessen vor dem Hintergrund der 161 sorgfältigen Analyse der gegenwärtigen Rahmenbedingungen 162 der Aufbereitung und des Umganges mit geistigen Leistungen 163 zu formulieren. 164 165 Der fundamentale Umbruch der Digitalisierung bewirkt auch 166 veränderte Verhaltensmuster und Erwartungen im Umgang mit 167 Werken und Inhalten aller Art. Im Kontext des Internet, 168 insbesondere des Web 2.0 bewirkt zudem die enge Verbindung 169 aus der Kommunikationsfunktion des Mediums und den 170 Möglichkeiten der Einbeziehung und Veränderbarkeit von 171 Werkinhalten grundlegend neue Sachverhalte, bei denen das 172 überkommene Schutzkonzept des Urheberrechts nicht in 173 Widerstreit mit sachgerechten, den Ausgleich 174 verwirklichenden Lösungen geraten darf. 175 176 Hier steht die verfassungsrechtliche Perspektive auch vor 177 einem grundlegenden rechtstatsächlichen Problem der 178 zutreffenden Erfassung der zu bewertenden Sachlage. 179 Konzeptionelle Anpassungen des Urheberrechtssystems sind 180 auch verfassungsrechtlich geboten, wo die Umsetzung der 181 Urheberrechte im Kontext des Internet in eine 182 unverhältnismäßigen Praxis mündet, insbesondere in die 183 Persönlichkeitsrechte der Nutzerinnen und Nutzer eingreift. 184 185 Aus der Institutsgarantie ergibt sich, dass ein 186 Urheberrecht einzuführen ist. Für die Einführung von 187 Urheberrechtsschranken bestehen aber keine konkreten 188 verfassungsrechtlichen Vorgaben, weshalb auf der einen 189 Seite die Einführung flexiblerer Schranken oder einer 190 Schrankengeneralklausel unter Hinweis auf die 191 verfassungsrechtliche Zulässigkeit gefordert wird [Fußnote: 192 Siehe SV Peifer]. 193 194 Im Rahmen der Reformdiskussion des Urheberrechts werden auf 195 der anderen Seite Behauptungen erhoben, wonach die 196 Schaffung weiterer Verfügungsrechte der Urheberinnen und 197 Urheber verfassungsrechtlich geboten sei, insgesamt seien 198 die Schranken mit Blick auf die verfassungsrechtliche 199 Stellung der Urheberinnen und Urheber eng auszulegen. 200 201 Unter Wahrung der Institutsgarantie, des 202 Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes und des 203 Be-stimmtheitsgebotes, muss bei der Einführung von 204 Urheberrechtsschranken die verfassungsrechtlich geschützte 205 Position des Urhebers mit der Sozialpflichtigkeit des 206 geistigen Eigentums [Anm.: Vorläufige Formulierung] und den 207 Interessen der Allgemeinheit an freiem Zugang zu 208 urheberrechtlich geschützten Werken zu einem angemessenen 209 Ausgleich gebracht werden. 210 211 Während also einerseits mit Verweis auf die 212 Sozialpflichtigkeit des Eigentums eine möglichst weit 213 reichende Ausgestaltung der Schranken gefordert wird, wird 214 andererseits versucht, mit Verweis auf die 215 Eigentumsgarantie der Verfassung im Gegenteil zu einer 216 möglichst engen Auslegung der Schranken zu gelangen. Die 217 unterschiedlichen politischen Positionen haben jedoch einen 218 gemeinsamen Nenner. Die eigentliche Begründung für die 219 Schranken des Urheberrechts besteht gerade in der 220 Sozialpflichtigkeit des Eigentums. 221 222 Es besteht Einigkeit darüber, dass eine engere Auslegung 223 von Schranken ebenso verfassungsgemäß wäre wie eine weiter 224 reichende. 225 226 Zwar kann der Gesetzgeber mit Erlaubnistatbeständen die 227 Schranken zugunsten der Nutzer erweitern, dies stellt ggf. 228 eine Inhalt- und Schrankenbestimmung dar und muss sich an 229 deren Vorrausetzungen messen lassen. Bei notwendigen 230 Rechtsänderungen kann der Gesetzgeber individuelle 231 Rechtspositionen durchaus umformen, soweit er nicht den 232 Kerngehalt der Eigentumsgarantie antastet. Von einer 233 Enteignung kann insofern nicht die Rede sein. 234 235 Aus der schriftlichen Stellungnahme von Prof. Dr. 236 Karl-Nikolaus Peifer: 237 238 Die Theorie der öffentlichen Güter geht vereinfacht davon 239 aus, dass unkörperliche Güter ohne Substanz- und 240 Qualitätsverlust rivalisierend genutzt und faktisch frei 241 angeeignet werden können, weil die Kosten zur Bewachung und 242 Abschottung des Gutes prohibitiv sind. Das Recht des 243 Geistigen Eigentums ist eine Reaktion auf diesen Befund. Es 244 hat erkannt, dass zwar der Vertrieb der Güter noch 245 ressourcenbeanspru¬chend ist, die Hervorbringung der Güter 246 allerdings nur noch den Inno¬vator belastet. Seine 247 Innovationskosten sind nicht amortisierbar, wenn der Inhalt 248 frei genutzt werden kann. Um die Anreize bei der Produktion 249 von immateriellen Gütern zu erhalten, ist das gesetzliche 250 Ausschlie߬lichkeitsrecht als Reaktion angebracht. Der 251 Innovator erhält durch die von diesem Recht gewährte 252 Ausschließlichkeitsfrist die Möglichkeit alleiniger 253 (kommerzieller) Nutzung und somit die Chance darauf, seine 254 Forschungs- und Entwicklungskosten durch höhere Preise zu 255 amortisie-ren. Dieser Zusammenhang ist heute unstreitig. 256 Gestritten wird darü¬ber, wie lange Amortisationsfristen 257 sein müssen und ob es Unter¬schiede je nach dem 258 voraussichtlichen Markterfolg des Angebots (z.B. Software 259 oder ernsthafte Musik) geben muss.Bei der Bereitstel-lung 260 von Angeboten tritt ein Effekt auf, der in der analogen 261 Welt keine übermäßig große Rolle von dem Moment an spielt, 262 in dem ein Ausschließlichkeitsrecht das Problem der 263 Nichtaus-schließbarkeit löst: Auch bei vorhandenem 264 rechtlichen Schutz ist die Überwachung und Abrechnung der 265 legalen Werknutzung und die Ver¬hinderung der illegalen 266 Werknutzung durch den Nutzer aufwändig und 267 kostenintensiv.[Fußnote: Stellungnahme von Prof. Dr. 268 Karl-Nikolaus Peifer zur öffentlichen Anhörung „Entwicklung 269 des Urheberrechts in der Digitalen Gesellschaft“, S. 23]. -
1.07 (Verfassungsmäßiger Rahmen) (Originalversion)
von EnqueteWiMi3, angelegt1 **Verfassungsrecht und Urheberrecht** 2 3 Das Werk des Urhebers wird im kontinentaleuropäischen Recht 4 sowohl durch sein Persönlich-keitsrecht als auch durch das 5 Eigentumsrecht geschützt. In Deutschland wird dieser Schutz 6 damit durch Artt. 1 und 14 GG gewährleistet. Das 7 Urheberrecht ordnet neben dem Urheberpersönlichkeitsrechts 8 die vermögenswerte Seite eines Werks dem Urheber zu. Für 9 die vermögenswerte Seite eines Werkes ist Artikel 14 GG 10 einschlägig - das Eigentum wird gewährleistet. 11 12 Bei Artikel 14 GG handelt es sich um ein sog. normgeprägtes 13 Grundrecht, d.h. es bedarf der Ausgestaltung des 14 Gesetzgebers. Der Gefahr der möglichen Aushöhlung wird mit 15 der Konstruktion der Institutsgarantie begegnet, wonach ein 16 unveränderlicher Wert des Grundrechts erhalten bleiben muss. 17 18 Als Institutsgarantie umfasst Artikel 14 GG nach der 19 Rechtsprechung des BVerfG die Zuordnung des 20 wirtschaftlichen Nutzens eigener Arbeit im Sinne 21 angemessener Vergütung, soweit nicht Gründen des 22 Gemeinwohls der Vorrang [Fußnote: BVerfG-Zitat: „Artikel 14 23 GG gebietet die grundsätzliche Zuordnung der schöpferischen 24 Leistung an den Urheber im Wege privatrechtlicher 25 Normierung und sichert seine Befugnis, darüber in eigener 26 Verantwortung verfügen zu können. Aber nicht jede nur 27 denkbare Verwertungsmöglichkeit ist abgesichert. Vielmehr 28 hat der Gesetzgeber gemäß Artikel 14 Abs. 1 S. 2 GG eine 29 der Natur und der sozialen Bedeutung des Urheberrechts 30 entsprechende Nutzung und angemessene Verwertung 31 sicherzustellen; jede inhaltsbestimmende gesetzliche 32 Regelung muss den Interessen aller Beteiligten Rechnung 33 tragen; sowohl die geistig-schöpferische als auch die 34 wiederschaffende Leistung sind darauf angelegt, nach 35 einiger Zeit frei zugänglich zu werden (BVerfG 31, 275).“] 36 gebührt. 37 38 **Bestandsaufnahme** 39 40 Das Urheberrecht gleicht Eigentumsinteressen und 41 Gemeinwohlinteressen aus, indem es Schutzansprüche mit 42 Schrankenregelungen kombiniert. So wird der 43 Sozialpflichtigkeit des Eigentums Rechnung getragen, 44 dadurch dass „der Träger eines vermögenswerten Rechts die 45 Beschränkungen gefallen lassen muss, die in Bezug auf sein 46 Recht üblich, sozialadäquat und zumutbar sind“ [Fußnote: 47 Maunz, Theodor: „Das geistige Eigentum in 48 verfassungsrechtlicher Sicht“, GRUR 1973, S. 107ff.]. Das 49 Bundesverfassungsgericht hat zudem ein schutzwürdiges 50 Interesse der Allgemeinheit an einer möglichst 51 ungehinderten Nutzung von Werken ausdrücklich anerkannt, 52 allerdings muss ein gesteigertes öffentliches Interesse 53 vorliegen [Fußnote: BVerfGE 31, 229 (Leitsatz).]. Die 54 Interessen der Allgemeinheit sind verfassungsrechtlich 55 durch Art 14 Abs. 2 GG geschützt und setzen insofern der 56 Ausgestaltung des Eigentumsrechts Grenzen [Fußnote: 57 BVerfGE95, 64 (84)]. 58 59 Zur Abwägung zwischen Vermögensinteressen und 60 Gemeinwohlinteressen hat sich das Bundesverfassungsgericht 61 in seiner Entscheidung „Kirchen- und Schulgebrauch“ wie 62 folgt geäußert: Erstens sei das Urheberrecht als 63 Nutzungsrecht Eigentum im Sinne des Grundgesetzes. Zweitens 64 müsse deshalb „die grundsätzliche Zuordnung des 65 wirtschaftlichen Wertes eines geschützten Werkes an den 66 Urheber“ sichergestellt werden. Drittens rechtfertige es 67 das „Interesse der Allgemeinheit an einem ungehinderten 68 Zugang zu den Kulturgütern“, wenn bestimmte Nutzungen auch 69 ohne die Genehmigung des Urhebers möglich seien, sofern 70 dieser eine Vergütung erhalte [Fußnote: BVerfGE 31, S. 229, 71 siehe auch 72 http://www.telemedicus.info/urteile/Urheberrecht/754-BVerfG- 73 Az-1-BvR-76566-Schulbuchprivileg.html]. 74 75 Allerdings sind Ausschließlichkeitsrecht und 76 Vergütungsanspruch nicht gleichrangig. Der 77 urheberrechtliche Normalfall ist im geltenden Urheberrecht 78 das Ausschließlichkeitsrecht: Der Urheber kann selbst 79 darüber entscheiden, wer sein Werk zu welchen Konditionen 80 nutzen darf. Nur in Ausnahmefällen (Schranken) wird ihm 81 dieses Verbotsrecht genommen. Ihm verbleibt dann jedoch in 82 aller Regel ein Anspruch auf eine Vergütung. Hat er also 83 keine Möglichkeit mehr, die Nutzung seines Werks zu 84 untersagen, so soll ihm wenigstens eine finanzielle 85 Kompensation verbleiben. Gleichwohl ist es möglich, dass 86 auch der Vergütungsanspruch entfällt, wie etwa beim 87 Zitatrecht. Dies muss dann allerdings durch ein besonders 88 starkes Gemeinwohlinteresse begründbar sein [Fußnote: 89 BVerfGE 79, S. 29]. 90 91 Die Schranken (z.B. Schutzfristen, Zitiergebot usw.) sind 92 Ausdruck des Interessenausgleichs zwischen Urhebern, 93 Verwertern und Nutzern und werden durch den Gesetzgeber 94 ausgestaltet. Sie sind nicht konkret durch das Grundgesetz 95 vorgegeben, sondern richten sich nach Eingriffsintensität 96 und Verhältnismäßigkeit. 97 98 Neben den die Verwertungsrechte betreffenden 99 eigentumsrechtlichen Belangen sind 100 persönlichkeitsrechtliche Aspekte von Interesse. Das 101 Urheberpersönlichkeitsrecht wird üblicherweise aus dem 102 allgemeinen Persönlichkeitsrecht hergeleitet und soll den 103 Urheber „in seinen geistigen und persönlichen Beziehungen 104 zum Werk“ schützen, wie es in §11 UrhG heißt. Aus dem 105 Urheberpersönlichkeitsrecht wird beispielsweise das Recht 106 auf Namensnennung abgeleitet oder auch das Recht, sich 107 gegen Entstellungen des Werks zur Wehr zu setzen. 108 109 Verfassungsrechtlich besteht der Schutzauftrag des Staates 110 darin, Beeinträchtigungen des allgemeinen 111 Persönlichkeitsrechts durch Dritte vorzubeugen. Zur 112 Beurteilung von Eingriffen in die Persönlichkeitsrechte 113 wird in der Regel zunächst nach deren Intensität gefragt. 114 Eine Beeinträchtigung der Intimsphäre wiegt schwerer als 115 eine der Privatsphäre. Eine entsprechende Abwägung liegt 116 auch für Verletzungen des Urheberpersönlichkeitsrechts nahe. 117 118 Ein wichtiges Indiz für die Beurteilung der Intensität von 119 Eingriffen in die Persönlichkeitsrechte ist in der 120 Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts der Akt der 121 Erstveröffentlichung. In einem einschlägigen Urteil dazu 122 heißt es: „Mit der Veröffentlichung steht ein Werk nicht 123 mehr allein seinem Inhaber zur Verfügung. Vielmehr tritt es 124 bestimmungsgemäß in den gesellschaftlichen Raum und kann 125 damit zu einem eigenständigen, das kulturelle und geistige 126 Bild der Zeit mitbestimmenden Faktor werden. Es löst sich 127 mit der Zeit von der privatrechtlichen Verfügbarkeit und 128 wird geistiges und kulturelles Allgemeingut.“ [Fußnote: 129 BVerfG NJW 2001, S. 598 (599), siehe auch 130 http://www.telemedicus.info/urteile/Urheberrecht/605-BVerfG- 131 Az-1-BvR-82598-Germania-3.html]. Nach Ansicht des 132 Bundesverfassungsgerichts nimmt die persönliche Beziehung 133 des Urhebers zu seinem Werk also mit der Veröffentlichung 134 ab, während das Allgemeininteresse an diesem Werk zunimmt. 135 Maßgeblicher Ausgangspunkt für das BVerfG ist jedoch stets, 136 dass das geschaffene Werk und die darin verkörperte 137 geistige Leistung in vermögensrechtlicher Hinsicht Eigentum 138 des Urhebers ist (BVerfG 31, 229, 239, 49, 382, 392). 139 Prüfungsmaßstab ist und bleibt daher primär die 140 Eigentumsgarantie des Grundgesetzes. Ein Argument für die 141 Zulässigkeit einer Beschränkung läßt sich danach nicht 142 daraus herleiten, dass eine Schranke bisher unangefochten 143 in Kraft war, denn hierdurch alleine werden sie nicht zu 144 einem allgemein anerkannten „Ausdruck sozialer Bindung des 145 Urheberrechts“ (BVerfG 31, 229, 244). Es müsse vielmehr in 146 jedem Einzelfall zu einer Güterabwägung kommen. Dabei 147 müssten die Gründe, die die Beschränkung des Urheberrechts 148 rechtfertigen sollen, umso schwerwiegender sein, je stärker 149 eine gesetzliche Vorschrift den grundrechtlich geschützten 150 Bereich berührt (BVerfG 49, 382, 400) 151 152 **Lösungsansätze bei der Ausgestaltung des Urheberrechts** 153 154 Wesentlich zur Rechtsprechung des BVerfG zu den 155 Immaterialgüterrechten erscheint, dass mit Art. 14 Abs. 1 156 S. 2 GG der Gesetzgeber erworbene Rechte im Rahmen der 157 Inhalts- und Schrankenbestimmung umgestalten und auch 158 einschränken darf. Bei der Ausgestaltung ist der 159 Gesetzgeber angewiesen, das Ziel des komplexen Ausgleichs 160 einer Vielzahl von Interessen vor dem Hintergrund der 161 sorgfältigen Analyse der gegenwärtigen Rahmenbedingungen 162 der Aufbereitung und des Umganges mit geistigen Leistungen 163 zu formulieren. 164 165 Der fundamentale Umbruch der Digitalisierung bewirkt auch 166 veränderte Verhaltensmuster und Erwartungen im Umgang mit 167 Werken und Inhalten aller Art. Im Kontext des Internet, 168 insbesondere des Web 2.0 bewirkt zudem die enge Verbindung 169 aus der Kommunikationsfunktion des Mediums und den 170 Möglichkeiten der Einbeziehung und Veränderbarkeit von 171 Werkinhalten grundlegend neue Sachverhalte, bei denen das 172 überkommene Schutzkonzept des Urheberrechts nicht in 173 Widerstreit mit sachgerechten, den Ausgleich 174 verwirklichenden Lösungen geraten darf. 175 176 Hier steht die verfassungsrechtliche Perspektive auch vor 177 einem grundlegenden rechtstatsächlichen Problem der 178 zutreffenden Erfassung der zu bewertenden Sachlage. 179 Konzeptionelle Anpassungen des Urheberrechtssystems sind 180 auch verfassungsrechtlich geboten, wo die Umsetzung der 181 Urheberrechte im Kontext des Internet in eine 182 unverhältnismäßigen Praxis mündet, insbesondere in die 183 Persönlichkeitsrechte der Nutzerinnen und Nutzer eingreift. 184 185 Aus der Institutsgarantie ergibt sich, dass ein 186 Urheberrecht einzuführen ist. Für die Einführung von 187 Urheberrechtsschranken bestehen aber keine konkreten 188 verfassungsrechtlichen Vorgaben, weshalb auf der einen 189 Seite die Einführung flexiblerer Schranken oder einer 190 Schrankengeneralklausel unter Hinweis auf die 191 verfassungsrechtliche Zulässigkeit gefordert wird [Fußnote: 192 Siehe SV Peifer]. 193 194 Im Rahmen der Reformdiskussion des Urheberrechts werden auf 195 der anderen Seite Behauptungen erhoben, wonach die 196 Schaffung weiterer Verfügungsrechte der Urheberinnen und 197 Urheber verfassungsrechtlich geboten sei, insgesamt seien 198 die Schranken mit Blick auf die verfassungsrechtliche 199 Stellung der Urheberinnen und Urheber eng auszulegen. 200 201 Unter Wahrung der Institutsgarantie, des 202 Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes und des 203 Be-stimmtheitsgebotes, muss bei der Einführung von 204 Urheberrechtsschranken die verfassungsrechtlich geschützte 205 Position des Urhebers mit der Sozialpflichtigkeit des 206 geistigen Eigentums [Anm.: Vorläufige Formulierung] und den 207 Interessen der Allgemeinheit an freiem Zugang zu 208 urheberrechtlich geschützten Werken zu einem angemessenen 209 Ausgleich gebracht werden. 210 211 Während also einerseits mit Verweis auf die 212 Sozialpflichtigkeit des Eigentums eine möglichst weit 213 reichende Ausgestaltung der Schranken gefordert wird, wird 214 andererseits versucht, mit Verweis auf die 215 Eigentumsgarantie der Verfassung im Gegenteil zu einer 216 möglichst engen Auslegung der Schranken zu gelangen. Die 217 unterschiedlichen politischen Positionen haben jedoch einen 218 gemeinsamen Nenner. Die eigentliche Begründung für die 219 Schranken des Urheberrechts besteht gerade in der 220 Sozialpflichtigkeit des Eigentums. 221 222 Es besteht Einigkeit darüber, dass eine engere Auslegung 223 von Schranken ebenso verfassungsgemäß wäre wie eine weiter 224 reichende. 225 226 Zwar kann der Gesetzgeber mit Erlaubnistatbeständen die 227 Schranken zugunsten der Nutzer erweitern, dies stellt ggf. 228 eine Inhalt- und Schrankenbestimmung dar und muss sich an 229 deren Vorrausetzungen messen lassen. Bei notwendigen 230 Rechtsänderungen kann der Gesetzgeber individuelle 231 Rechtspositionen durchaus umformen, soweit er nicht den 232 Kerngehalt der Eigentumsgarantie antastet. Von einer 233 Enteignung kann insofern nicht die Rede sein. 234 235 Aus der Stellungnahme von Prof. Dr. Karl-Nikolaus Peifer: 236 237 Die Theorie der öffentlichen Güter geht vereinfacht davon 238 aus, dass unkörperliche Güter ohne Substanz- und 239 Qualitätsverlust rivalisierend genutzt und faktisch frei 240 angeeignet werden können, weil die Kosten zur Bewachung und 241 Abschottung des Gutes prohibitiv sind. Das Recht des 242 Geistigen Eigentums ist eine Reaktion auf diesen Befund. Es 243 hat erkannt, dass zwar der Vertrieb der Güter noch 244 ressourcenbeanspru¬chend ist, die Hervorbringung der Güter 245 allerdings nur noch den Inno¬vator belastet. Seine 246 Innovationskosten sind nicht amortisierbar, wenn der Inhalt 247 frei genutzt werden kann. Um die Anreize bei der Produktion 248 von immateriellen Gütern zu erhalten, ist das gesetzliche 249 Ausschlie߬lichkeitsrecht als Reaktion angebracht. Der 250 Innovator erhält durch die von diesem Recht gewährte 251 Ausschließlichkeitsfrist die Möglichkeit alleiniger 252 (kommerzieller) Nutzung und somit die Chance darauf, seine 253 Forschungs- und Entwicklungskosten durch höhere Preise zu 254 amortisie-ren. Dieser Zusammenhang ist heute unstreitig. 255 Gestritten wird darü¬ber, wie lange Amortisationsfristen 256 sein müssen und ob es Unter¬schiede je nach dem 257 voraussichtlichen Markterfolg des Angebots (z.B. Software 258 oder ernsthafte Musik) geben muss.Bei der Bereitstel-lung 259 von Angeboten tritt ein Effekt auf, der in der analogen 260 Welt keine übermäßig große Rolle von dem Moment an spielt, 261 in dem ein Ausschließlichkeitsrecht das Problem der 262 Nichtaus-schließbarkeit löst: Auch bei vorhandenem 263 rechtlichen Schutz ist die Überwachung und Abrechnung der 264 legalen Werknutzung und die Ver¬hinderung der illegalen 265 Werknutzung durch den Nutzer aufwändig und 266 kostenintensiv.[Fußnote: Stellungnahme von Prof. Dr. 267 Karl-Nikolaus Peifer zur öffentlichen Anhörung „Entwicklung 268 des Urheberrechts in der Digitalen Gesellschaft“, S. 23]. 269 270